Kulturelle Aspekte von Soja
Soja – die wundersame Pflanze aus Asien
Ursprünglich stammt die Sojabohne aus Asien. Dort hat sie eine jahrtausendalte Geschichte: Es gibt erste Berichte aus 2.800 vor Christus. Archäologische Funde von kultiviertem Soja werden etwas später datiert – ungefähr 800 bis 700 vor Christus.
Nach Europa kam die Leguminose erst viel später. Anfang des 18. Jahrhunderts beschrieb der deutsche Forschungsreisende Engelbert Kaempfer die Sojabohne als Nahrungsmittel. Er lernte sie in Japan kennen und brachte sie 1712 nach Deutschland mit. In den darauffolgenden Jahren wurde Soja von den Europäerinnen und Europäern erstmals in botanischen Gärten als exotische Gewürzpflanze bewundert. Landwirtschaftliche Anbauversuche blieben damals aber noch erfolglos, unter anderem wohl, weil die subtropische Pflanze empfindlich auf Nässe und Kälte reagiert und das Know-How für eine erfolgreiche Kultivierung noch fehlte.
Ein wichtiger Wegbereiter der Sojabohne außerhalb Asiens war Friedrich Haberlandt. Der österreichische Agrarwissenschaftler gewann nach einem Besuch auf der Wiener Weltausstellung 1873 Interesse. Von einer japanischen Delegation bekam er bei dieser Gelegenheit Saatgut, womit er anschließend Anbauversuche in verschiedenen Regionen der Monarchie organisierte. Die Erkenntnisse sowie den besonderen Nährwert der „Wunderbohne“ hielt er in seinem Buch Die Sojabohne: Ergebnisse der Studien und Versuche über die Anbauwürdigkeit dieser neu einzuführenden Kulturpflanze fest, das in seinem Todesjahr 1878 erschien. Haberlandt sah im Doppelpotential der Bohne (20 % Fett und 40 % Eiweiß) nicht weniger als die Lösung des zu seiner Zeit viel diskutierten Problems der „Volksernährung“. Als Alternative zu Fleisch könne die Bohne vor allem die wachsende Schicht der (armen) Arbeiterklasse ernähren. Auch wenn es anders kam als von Haberlandt angedacht, gilt der Wissenschaftler heute als Wegbereiter des Sojaanbaus außerhalb der ostasiatischen Heimat der Pflanze. Seine Forschung war wichtige Grundlage für spätere Versuche, unter anderem in den USA. Im deutschsprachigen Raum wurde die Sojabohne sogar lange als „Haberlandt-Bohne“ bezeichnet.
Zu einer ersten nennenswerten Nachfrage nach Soja (als Importgut) kam es in Europa aber erst Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts. Zu diesem Zeitpunkt war fast ausschließlich das Sojaöl als wertvoller Rohstoff gefragt. Es war die Zeit der Hochindustrialisierung. Das Öl diente als Schmiermittel für Maschinen und Motoren, wurde in Fabriken aber auch zu Seifen, Kosmetika, Margarine oder Schmalzersatz verarbeitet. Sojaöl half, den steigenden Bedarf an Pflanzenölen zu decken, der durch die heimische Produktion von Raps, Lein oder anderen Pflanzen nicht mehr gedeckt werden konnte. Der Rohstoff kam per Schiff aus der damals japanisch dominierten Mandschurei (heute vor allem chinesisches und russisches Territorium) nach Europa (vor allem Großbritannien) und Nordamerika.
Obwohl der österreichische Boku-Professor Friedrich Haberlandt sehr für Soja als Ganzes zur menschlichen Ernährung warb, spielte dies zunächst keine Rolle. Das Überbleibsel aus der Ölgewinnung, der Presskuchen, wurde schon damals an das Vieh verfüttert.
Die „Nazi-Bohne“
Während der Nazi-Diktatur 1933 bis 1945 wurde eine möglichst unabhängige Nahrungsmittelversorgung angestrebt, wobei Soja eine wichtige Rolle einnahm. Soja, später auch als „Nazi-Bohne“ bezeichnet, wurde als alternativer Fett- und Eiweißträger angesehen und im Deutschen Reich, vor allem auch in Österreich, erstmals großflächig angebaut. Sojawürste gehörten teilweise zur Essensration der Frontsoldaten im Zweiten Weltkrieg.
Dazu Ernst Langthaler: Die Pemmikan-Landjäger-Wurst der deutschen Wehrmacht enthielt geräuchertes Fleisch, getrocknetes Obst, Molke, Tomatenmark, Hefeextrakt, grüne Paprika, Preiselbeeren, Lecithin und Vollsojamehl und sollte schnell vorrückenden Truppenteilen alle nötigen Nährstoffe in hochkonzentrierter Form liefern. Daher der von englischen Zeitungen geprägte Ausdruck `Nazi-Bohne´“.
Der Krieg war aber vor allem wegen der Entwicklung in den USA eine Schubphase. Dort wurde die Forschung intensiviert und die Sojawirtschaft massiv ausgebaut. Der Bedarf an Öl war groß und durch den Krieg im Pazifikraum waren die USA vom Nachschub an tropischen Pflanzenölen abgeschnitten, die unter anderem zur Gewinnung von Nitroglycerin zur Herstellung von Sprengstoff und Arzneimitteln wichtig waren. Auch die Tierhaltung gewann stark an Bedeutung: Am Ende des Krieges konsumierte die US-amerikanische Bevölkerung mehr Fleisch als am Beginn.
Wirtschaftsaufschwung und Fleischkonsum
Dank des Wirtschaftsaufschwungs der 1950er und 60er Jahre konnte sich nun auch die (west-)europäische Bevölkerung mehr tierische Produkte in der Ernährung leisten, was mit einem Ausbau der Viehwirtschaft einherging. In der Zeit des Kalten Krieges exportierten die USA daher Sojaschrot als Viehfutter an ihre Verbündeten in Westeuropa. Die Supermacht stieg auch zum weltweit größten Sojaproduzenten auf. Gleichzeitig wurden für technisch-industrielle Zwecke mehr und mehr Erdölprodukte eingesetzt, sodass die Bedeutung von Sojaöl in den Hintergrund trat.
„Die Hauptantriebskraft für den Sojaanbau verändert sich in der Nachkriegszeit in Richtung Viehfütterung. Es ist die Zeit des zunehmenden Wohlstands im Westen. Die Zeit, in der die Konsumenten auch prestigeträchtige Fleischnahrung nachfragen und sich immer mehr Mittelschichtfamilien die tägliche Fleischspeise leisten können. Dies führt zu einem unglaublichen Nachfragesog nach Fleisch. Die Mastbetriebe boomen, werden immer größer und brauchen immer mehr Futtermittel. Und das kommt eben zu großen Teilen aus den USA in Form von proteinreichem Soja“, erklärt Ernst Langthaler.
US-Soja-Embargo hilft Brasilien auf die Sprünge
1973 verhängte die US-Regierung einen kurzzeitigen Exportstopp für Soja, nachdem Russland mehr als eine Million Tonnen Sojabohnen (und ein Viertel der US-amerikanischen Weizenernte) gekauft hatte. Zudem hatte eine Verknappung von peruanischem Fischmehl zu einer Verteuerung eiweißreichen Viehfutters beigetragen. Das Embargo dauerte weniger als einen Monat, erschütterte aber dennoch das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der USA als Handelspartner und Bezugsquelle für Soja. Die importierenden Staaten hielten Ausschau nach Alternativen, die in Brasilen und anderen südamerikanischen Ländern schnell gefunden waren. Dort wurde der Sojaanbau nun stark ausgeweitet und Brasilien holte nach und nach gegenüber den USA als weltweit lange Zeit wichtigstem Produzenten auf. Im Jahr 2019 produzierte Brasilien erstmals eine größere Menge als die USA und kletterte damit auf Platz eins der weltweit größten Soja-Produzenten.
Für die Gegenwart höchstrelevant ist zudem China, das Mitte der 1990er Jahre erstmal als Netto-Importeur von Soja in Erscheinung trat und heute mit bedeutendem Abstand global die größten Mengen einführt.
Für Österreich ist eine vollständige Eigenversorgung mit Soja zwar denkbar. Allerdings müsste dazu der Bedarf verringert werden, zum Beispiel durch verbessertes Fütterungsmanagement, verbesserte Sojasorten für den heimischen Anbau und reduzierten Fleischkonsum.