Kulturelle Aspekte von Senf
Geschichte des Senfs
Senfkörner stehen als Gewürz vermutlich schon seit tausenden von Jahren auf dem Speiseplan der Menschen. In China wegen seiner Schärfe beliebt, wurde Senf im alten Ägypten auch als Heilmittel eingesetzt. Über die Feldzüge der Römer fanden erste Senfkörner etwa um 50 vor Christus ihren Weg von Asien nach Europa. Im ersten Jahrhundert schrieb dann der Biologe Columella das erste überlieferte Senfrezept nieder: Es war ein Gemisch aus Senfkörnern, Wasser, Soda und Essig. In den folgenden 300 Jahren eroberte der Senf das gesamte römische Reich.
Karl der Große erkannte den Wert der kleinen Samen spätestens 795 und gab die Order, Senf im Fränkischen Reich anzubauen. Zu dieser Zeit war das Lebensmittel bereits in Österreich angekommen. Seine Kultivierung blieb bei uns lange eine Seltenheit. Man kannte jedoch schon bestimmte Rezepturen, wie etwa die des süßen Kremser Senfs. Ob sie ihren Ursprung in überreichen Weinernten oder bei einem findigen Senfmüller aus Krems hatte, ist nicht belegt. So sollen Winzer der Wachau einer Legende nach vor etwa 500 Jahren zu viel Most gehabt haben, den sie verwerten mussten – und ihn kurzerhand als Ersatz für Essig bei der Senfherstellung genutzt haben. Auf das Rezept, Most mit Senfkörnern zu mischen, hatten vermutlich auch Mönche gesetzt: Sie nutzten Senf als Verdauungsunterstützung bei ihrer fett- und alkoholreichen Ernährung.
Burgunds Herzöge legten im 13. Jahrhundert strenge Qualitätskriterien für Senf fest. Sie ebneten der Hauptstadt Dijon damit den Weg zur Senf-Metropole mit Herstellungsmonopol. Im Nachbarland Deutschland sind Bräuche zum Senf heute verbreitet – man denke an die bekannten süßen Senfsorten aus Bayern. In Frankreich finden Senfliebhaber in den Altstadtgassen Dijons den gleichnamigen Senf in unzähligen Varianten zum Ausprobieren.
Tanz im Senffeld
Senf und Romantik findet man in Bollywood-Filmen vereint: Dort tanzen Schauspielerinnen und Schauspieler während Liebesszenen durch blühende Senffelder. Das nationale Kulturgut Senf, das zehntausenden Bauernfamilien als Lebensgrundlage dient, wird in Indien komplett verwertet. Die Senfpflanze und ihre Körner werden gekocht und was von der Ernte übrig bleibt in geringen Mengen an das Vieh verfüttert oder kompostiert. Im benachbarten Nepal ist die Herstellung von Senföl mit einfachsten Mitteln Tradition. Geröstete, im Schraubstock kalt gepresste Senfkörner ergeben dort in erster Pressung wertvolle Senfsahne und im zweiten Pressdurchgang Senföl.
Von Ost nach West – von scharf nach süß
Frankfurter Würstel mit Estragon-Senf oder Weißwurst mit süßem Weißwurst-Senf – was darf es sein? Im Fall der Geschmacksvorlieben süß und scharf scheint es ein Ost-West-Gefälle zu geben: Während in Österreichs und Deutschlands Osten der würzig-scharfe Estragon-Senf und mittelscharfer Senf beliebt sind, wird es in Richtung Bayern zunehmend süßer. Dort bevorzugt man – passend zur Weißwurst – den nach bajuwarischem Rezept hergestellten, süßen Senf. Der mit karamellisiertem Zucker gesüßte Senf soll etwas schleimig sein und enthält viele, meist grob vermahlene, Körner. In Frankreich hingegen wird es dann mit dem Dijon-Senf wieder scharf.
Zunehmender internationaler Bedeutung erfreut sich der „American Mustard“. Dieser eher an eine Senfsauce erinnernde, milde Senf wird zu Hotdogs gegessen. Regionale Geschmacksvorlieben spielen ebenfalls eine große Rolle – im Ausland greifen Konsumentinnen und Konsumenten vor allem zu klassisch mittelscharfem Senf, Dijon und Wholegrain (Senf mit ganzen Senfkörnern).
In Österreich spielen andere Kriterien eine wichtige Rolle, wie Senfmüller Thomas Weber erklärt: „Wir können den Trend erkennen, dass die Menschen vermehrt differenziertere Produkte haben möchten – weg von den klassischen Senfen hin zu mehr Spezialsenfen. Und was natürlich auch immer wichtiger wird, ist die Regionalität.“