Energie-Revolution in der Saline
Ein Blick zurück in der Zeit: In der Saline in Ebensee befinden sich riesige Pfannen mit einem Durchmesser von 20 Metern. Die Pfannen werden mit Holz befeuert, die Sole brodelt und das Wasser verdunstet. In den Pfannen setzen sich neben Salz immer wieder Magnesium, Gips und Kalk ab. Die Salinenarbeiter schaben die Pfannen aus, damit die Wärme wieder durchkommt.
All das ist heute Geschichte.
Mittlerweile stehen in der Saline große geschlossene Kessel und technische Anlagen. Diese heißen Thermokompressions- und Vakuum-Verdampfungsanlagen. Sie sorgen dafür, dass die Wärme der erhitzten Sole und des Dampfes optimal genutzt wird. Außerdem hat das sogenannte „Schweizerhalle-Verfahren“ dafür gesorgt, dass kein Abschaben der Kessel mehr nötig ist. Denn mittlerweile werden Magnesium, Gips und Kalk chemisch entfernt. Auf diese Weise schaffen es die Salinen heute, mit nur einem Vierzigstel der Energie von damals die gleiche Menge an Salz zu gewinnen.
Hier ein kleiner Überblick zur Entwicklung:
1850: Der Ingenieur Peter Rittinger erfand einen Verdampfungsapparat (Thermokompressionsverfahren). Mit diesem nutzte er den Dampf, indem er ihn komprimierte. Der Dampf erhitzte sich und gab die Wärme an die Sole weiter. In Österreich scheiterte der erste Versuch aufgrund von Ablagerungen in den Kesseln. Die Wärme konnte nicht durch die Schicht weitergegeben werden. So blieb man vorerst bei der Pfannen-Methode. Mit der Thermokompression erfand Rittinger auch die Wärmepumpe, welche nach dem umgekehrten Prinzip in Kühlschränken zum Einsatz kommt.
Ende der 1870er: Der Schweizer Paul Piccard entwickelte die Idee weiter: Er setzte den Verdampfungsapparat von Rittinger und ein mechanisches Schälwerkzeug ein. Diese Kombination funktionierte in einer Schweizer Saline. Die Sole dort setzte sich jedoch nur aus wenig Magnesium und Kalzium zusammen. In Österreich scheiterte der Versuch.
Ab 1900: Unabhängig von den Erfindungen der beiden erfolgte die Entwicklung eines weiteren geschlossenen Verdampfungsverfahren: Die Vakuumverdampfung. Sie wurde bereits in der Zuckerfabrik angewendet. Die Methode war kostengünstig, aber nicht so effektiv wie das Thermokompressionsverfahren. Die österreichischen Salinen produzieren zu dieser Zeit aus der Sole an allen sechs Standorten 160.000 Tonnen Salz pro Jahr und 90 Prozent davon noch in Pfannen.
1920: Siegeszug der Thermokompression und damit auch des Schweizerhalle-Verfahrens: Der Belag wurde nicht mehr mechanisch, sondern chemisch entfernt. Dafür kamen Kalkmilch, Soda und Rauchgas zum Einsatz. Das Prinzip wurde im Jahr 1900 in der Saline Schweizerhalle entwickelt. In Ebensee findet trotzdem noch lange eine Verdampfung durch Vakuumanlagen statt.
1951: Zum ersten Mal wurde in Österreich eine Thermokompressionsanlage errichtet und erfolgreich das Schweizerhalle-Verfahren angewendet. Zuerst erbaute man eine Anlage in Hall in Tirol, später in der Saline in Ebensee. Die Errichtung der Anlage bedeutete das Ende der Pfannen.
Heute: Heute nutzt die Saline in Ebensee sowohl das Thermokompressionsverfahren als auch den mehrstufigen Vakuum-Verdampfer. Aufgrund dieses Verfahrens braucht sie für die Produktion eines Kilogramms Siedesalz nur mehr 230 bis 240 Wattstunden – das sind energietechnisch ungefähr fast drei Stunden Fernsehen. Nichtsdestotrotz ist der Energieaufwand bei Siedesalz im Vergleich zum Meersalz oder Steinsalz höher.
Kein Holz, kein Salz
Das Feuer für die Sudpfannen benötigte Holz – viel Holz. Aber auch das Dörren von Lebensmitteln, das Beheizen des Wohnraums, der Grubenausbau, der Bau von betrieblichen Anlagen sowie von Wohngebäuden basierten auf demselben Rohstoff. Hinzu kamen die zahlreichen Holzschiffe, die zum Transport des Salzes aus dem Salzkammergut notwendig waren. Jedoch war die Beschaffung von Holz nur begrenzt möglich: Der Holztransport erfolgte auf dem Wasserweg. Das heißt, dass Bäume in Flussnähe flussaufwärts gefällt wurden, alle anderen Wälder waren nur mit deutlich erhöhtem Aufwand nutzbar. Aufgrund dieser Vielzahl an Anwendungen und der limitierten Beschaffungsmöglichkeiten entstand bald ein Engpass. Die Konsequenz aus der Holzknappheit war die stagnierende Produktion – für 450 Jahre. Erst die Nutzung von anderen Energiequellen wie Torf und später Kohle im 19. Jahrhundert ermöglichte eine höhere Salzerzeugung. Ende des 16. Jahrhunderts baute man zusätzlich eine neue Saline in Ebensee, wo mehr ebene Flächen und daher auch mehr Holzressourcen zur Verfügung standen.
Salz: eine unendliche Ressource?
„Dadurch, dass Salz in unseren Weltmeeren vorkommt, ist es ein unersättlich häufiger Stoff. Es kommt aber ungleich verteilt vor: in den Meeren natürlich viel, in Binnenländern weniger“, erklärt Ernst Gaisbauer, Berater für Bergbau. Wir müssen also keine Sorge haben, dass uns irgendwann das Salz ausgeht. Denn außerdem wird Salz nicht nur konsumiert, sondern auch wieder ausgeschieden. So ist es im Kreislauf und gelangt immer wieder zurück in die Weltmeere. Das Meersalz ist somit eine unendliche Ressource. Die Salzproduktion verlagert sich immer mehr in Richtung Meersalz, da diese Form der Gewinnung billiger ist.
Bei Salz aus Gestein verhält es sich anders: Hierbei handelt es sich um eine endliche Ressource. Ein Großteil des Salzes im Berg – rund 80 bis 90 Prozent – kann nicht abgebaut werden, sonst würde dieser in sich zusammenbrechen. In Europa befinden sich fast in jedem Land Salzlagerstätten, allerdings ist der Abbau aus wirtschaftlicher Perspektive nicht immer sinnvoll. Laut Experten- Schätzungen sollte das Salz an den bestehenden Lagerstätten noch für etwa 50 bis 100 Jahre reichen. Ob die Salzlagerstätten darüber hinaus nutzbar sind, werden künftige Erkundungen zeigen.
CO2-Fußabdruck von Salz
Ein ökologischer Fußabdruck für Stein-, Siede- oder Meersalz ist schwer zu erstellen, respektive zu vergleichen. In welcher Art und Weise Salz gewonnen wird, hängt nämlich stark von den geologischen beziehungsweise geografischen Gegebenheiten ab. Beispielsweise kann in einem Land ohne Meerzugang wie Österreich unmöglich Meersalz hergestellt werden. In erster Linie wird der CO2-Fußabdruck durch den Energieaufwand bestimmt. Dieser ist bei Siedesalz deutlich höher als bei Meersalz, das mittels Sonnenenergie gewonnen wird.
Eine Schweizer Studie im Jahr 2019 hat ergeben, dass bei Siedesalz die bei der Produktion verwendete Energiequelle entscheidend ist – sei es Wasserkraft, Atomstrom oder vielleicht auch fossile Energie. Hinzu kommt ein allfälliger Transport, der je nach Art (Bahn, LKW, Schiff, etc.) ebenfalls mehr oder weniger ins Gewicht fällt. Der Transport von Salz spielt beim CO2-Fußabdruck eine wesentliche Rolle, da der Herstellungsprozess selbst einen kleinen Fußabdruck hinterlässt.
Eingriffe in die Landschaft
Der unterirdische Bergbau hinterlässt Spuren im und am Berg – wenn auch nur kleine. Die Veränderung im Berginneren ist geologischer Natur, indem Material entnommen wird. Nicht alles, das abgebaut wird, ist auch verwendbar. Das als Abfall anfallende Material wird zurück in den Berg gebracht und dort deponiert. Ökologisch bedenklich ist dieses Vorgehen nicht, weil es sich Großteils um bergeigene Substanzen handelt.
An der Erdoberfläche sind die Spuren ökologischer Natur, indem Bäche, Seen und generell alle Gewässer rund um den Berg kontrolliert und reguliert werden. Die Flussbäche an der Oberfläche sind gefasst, das heißt sie werden mit Steinen oder Gehölzen in eine bestimmte Richtung gelenkt. Auch unter der Erde wird das Wasser gesammelt und abgeleitet. So wird eine unkontrollierte Wasserzufuhr in den Berg beziehungsweise ins Salzlager verhindert. Rund um den österreichischen Salzabbau sind deswegen keine wilden Gewässer zu finden. Dieser Eingriff in die Umwelt bedeutet eine Veränderung des Landschaftsbildes, der aber oft sogar als ästhetisch empfunden wird. Gefährlich sind die Wasserumleitungen allerdings nicht.
Würde tatsächlich Wasser in ehemalige oder noch bestehende Salzlagerstätten treten, besteht die Gefahr, dass sich das Salz selbstständig zu lösen beginnt und so ins Grundwasser gelangt. Ein unkontrollierter Austritt der Lauge aus dem Berg hätte gravierende Auswirkungen auf Flora und Fauna. Um solche Ereignisse zu verhindern, sind Salinen auf Ewigkeit verpflichtet, Abbaustätten zu warten und zu beobachten. Dieser Erhalt von Salzbergstätten birgt einige Herausforderungen: Expertinnen und Experten müssen sich überlegen, wie das heutige Wissen an Menschen, die in tausend Jahren leben, weitergegeben werden kann. Welche Sprache oder Schriftzeichen sollen verwendet werden?
Bis 2005 hat eine in der Nähe der Salinen Austria ansässige Fabrik die Mutterlauge übernommen, um daraus Soda zu produzieren. Beim Herstellungsprozess von Soda entsteht in großen Mengen Kalziumchlorid – ein Salz, das am Ende mit weiterem Natriumchlorid und Kalkschlamm in den nahegelegenen See (Traunsee) geleitet wurde. Mit dem Ende der Sodafabrik stoppten auch die Einleitungen, was wiederum die natürliche Wasserdurchmischung im See durcheinandergebracht hat: Das salzhaltige Wasser sank ab, während das salzfreie aufgrund seiner Leichtigkeit oben blieb. In den Tiefen des Traunsees erschöpfte sich so zunehmend der Sauerstoff. Seit 2018 ist die Wasserdurchmischung wieder intakt.
Nach dem Ende der Sodafabrik haben die Salinen Austria eine Kaliumsulfat-Anlage erstellt. Kaliumsulfat wird in der Landwirtschaft als Dünger verwendet. Dank dieser kann Kaliumsulfat und beinahe alles Salz aus der Sole extrahiert werden, so dass schlussendlich 99,9 Prozent des Salzes aus der Sole gewonnen wird. Das übrigbleibende Kondensat sowie das Kühlwasser leiten die Salinen in den nahegelegenen Fluss – die Traun. Gemäß regelmäßigen Kontrollen ist das für Flora und Fauna ungefährlich. Die restlichen Enthärtungsrückstände, die bei der Solereinigung anfallen, werden an ihrem Ursprungsort im Berg deponiert. Bis 2005 leiteten die Salinen diese Rückstände ebenfalls in den Traunsee, wofür eine wasserrechtliche Bewilligung bestand.
Mikroplastik: Vom Meer auf den Teller
In einem Test des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) wurde insbesondere im Meersalz Mikroplastik gefunden. Obwohl der Begriff Mikroplastik nicht exakt definiert ist, sind damit vor allem Kunststoffteilchen gemeint, die kleiner als fünf Millimeter sind. Derzeit gehen Forschende davon aus, dass nur ein sehr geringes Prozent (0,3%) einer bestimmten Partikelgröße (kleiner als 150 µm) in Körperzellen gelangen kann. „Die toxikologische Relevanz einer Aufnahme derartig geringer Mengen Mikroplastik in die Körperzelle ist bisher weitgehend ungeklärt“, schreibt die österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) in einer Stellungnahme zum Thema.
Grund für den Mikroplastik-Nachweis im Meersalz dürften die riesigen, schwimmenden Plastikdeponien im Meer sein. Damit schließt sich gewissermaßen ein Kreislauf: Über 70 Prozent des Mikroplastiks im Meer stammt aus privaten Haushalten, produziert beispielsweise durch Verpackungen wie Plastikflaschen, die Verwendung von Kosmetika oder schlicht von Plastiksackerln. Das Plastik, das im Meer schwimmt und nicht abbaubar ist, landet somit am Ende wieder bei uns auf dem Teller.
> Mehr zur Meersalz-Produktion
Wertvoller Boden geht verloren?
Bis zu 1,5 Millionen Hektar Ackerland gehen global jährlich durch die Versalzung von Böden für die Produktion verloren. Damit ist die Bodenversalzung einer der häufigsten Gründe für den Verlust von fruchtbaren Böden. Fälschlicherweise denken wahrscheinlich viele bei der Bodenversalzung zuerst an das Streusalz, das hierzulande im Winter ausgebracht wird. In Österreich ist der dadurch verursachte hohe Salzgehalt im Boden vor allem bei Grünstreifen neben stark befahrenen Straßen problematisch. Auf landwirtschaftlichen Flächen stellt das Streusalz kaum ein Problem dar. Viel mehr sind Gebiete in Küstennähe wie Indien oder Südostasien davon betroffen.
Grundsätzlich gibt es zwei Erklärungen für die Bodenversalzung:
- Ein zu hohes Grundwasser hat zweierlei Auswirkungen auf Bodenflächen: Bedingt etwa durch salziges Grundwasser oder Überschwemmungen in Küstenregionen können salzhaltige Böden einerseits auf natürliche Art und Weise entstehen. Andererseits wird in tief liegenden Ländern wie Bangladesch eine „sekundäre“ Versalzung durch den Anstieg des Meeresspiegels verursacht. Dieser Anstieg ist auf den Klimawandel zurückzuführen.
- In trockenen Gebieten entsteht durch die hohen Temperaturen eine höhere Verdunstung. Stetiges Bewässern ist einerseits für die Ackerkulturen überlebensnotwendig, andererseits begünstigt es aber die Verdunstung und zieht damit das Salz Richtung Oberfläche. Die Verdunstung kann so hoch sein, dass auf dem Boden eine Salzschicht entsteht.
Eine zu hohe Salzkonzentration im Boden stört den Wasserhaushalt von Pflanzen, wodurch sie schlechter und langsamer wachsen. Bodenversalzung führt also zu Ertragseinbrüchen, im fortgeschrittenen Stadium gar zum Totalausfall. Die Regeneration salzhaltiger Böden ist zwar möglich, nimmt jedoch einige Zeit in Anspruch. Deshalb ist der Versuch sinnvoller, sich an die Gegebenheiten anzupassen. Entweder greift die Landwirtschaft somit zu Pflanzen wie Spinat, Bohnen, Zuckerrüben oder Erbsen, die salzige Bedingungen besser vertragen, oder sie benutzt für die Salzreduktion eine Tröpfchen-Bewässerung. Bei einer derartigen Bewässerung wird das Wasser nicht auf dem Feld versprüht, sondern es wird direkt zu den Wurzeln geleitet. Dadurch kann die Verdunstung verringert werden. Israel wiederum versucht einmal im Jahr, mit größeren Mengen an Süßwasser die Salze in tiefere Bodenschichten zu spülen. Das zum Bewässern genutzte Wasser ist dabei gefiltertes Meerwasser. Allerdings ist dieser Vorgang aus ökologischer und ökonomischer Perspektive umstritten.