Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen
2008 kam es zu einer EU-weiten Harmonisierung der Höchstwerte von Pflanzenschutzmittelrückständen. Laut Helmut Burtscher von Global 2000 war diese Harmonisierung eher eine Nivellierung nach unten. Man habe sich bei den Grenzwerten an den EU-weiten Schlusslichtern orientiert. Salat als Freilandkultur war davor in Sachen Überschreitung von Rückstandsgrenzwerten eher ein Problemkind. Seither sind diese selten. Dies beruht neben der genannten Harmonisierung auch auf vom Handel initiierten Pestizidreduktionsprogrammen, ist sich Burtscher sicher. Von den regelmäßig von Global 2000 für eine Handelskette gezogenen Salatproben lag zuletzt 2014 eine über der Höchstgrenze. Früher bewegte sich dies in einem zweistelligen Prozentbereich. Die Beprobung erfolgt risikobasiert. Aus langjähriger Erfahrung und dem Wissen um die agrarische Praxis weiß man etwa, dass höhere Pestizideinsätze eher bei den saisonal früh oder spät auf den Markt kommenden Salaten festgestellt werden. Der Sommersalat weist niedrigere Werte auf. Salate im Winter, die aus dem Ausland importiert werden, sind tendenziell öfter belastet, weil in Zeiten mit höheren Niederschlägen produziert. Rucola und Vogerlsalat sind dabei am problematischsten, weniger Häuptelsalat und am wenigsten Eisbergsalat. Dies begründet Burtscher mit Unterschieden im Anbau.
> HINTERGRÜNDE: Chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel
Die Praxis der Risikobewertung bei den Rückständen hält Burtscher für problematisch. Die Höchstwerte seien teilweise toxikologisch nicht sauber abgesichert und die Wechselwirkung verschiedener Wirkstoffe werde ebenfalls nicht entsprechend gesetzlich abgefedert. Deshalb hat Global 2000 im Rahmen seines Pestizid-Reduktionsprogrammes für eine Handelskette eigene Grenzwerte festgelegt. Andere Handelsketten fahren ebenfalls Programme mit dieser Zielsetzung. Burtscher kritisiert dabei den Umstand, dass die einzelnen Reduktionsprogramme nicht harmonisiert sind, was es dem Erzeuger doppelt schwer macht, handelskonform zu produzieren. Stefan Hamedinger von der Landwirtschaftskammer OÖ stößt in dasselbe Horn, wenn er es als wichtigste Aufgabe seiner Interessensvertretung bezeichnet, die Rahmenbedingungen für den Landwirt praktikabel zu gestalten. Zu schauen also, “dass man nichts Unmögliches von den Bauern verlangt”.
Eisbergsalat-Marktführer Josef Wieser verweist etwa im Zusammenhang mit der Pilzkrankheit Mehltau auf die hohen Ansprüche des Konsumenten an die optische Perfektion. Der Konsument akzeptiert schwarze Flecken nicht, weshalb er für die Herbsternte zusätzlich zur Verwendung von toleranten Sorten vorbeugend noch ein Fungizid spritzen muss. Wieser betont dabei, dass die fachgerechte Anwendung der Pflanzenschutzmittel extrem wichtig ist. Ausbringungen bei Wind oder mit falschem Gerät und veralteter Technik sind absolut zu vermeiden.
Convenience
Convenience-Salate liegen klar im Trend. Hinsichtlich ihres ökologischen Aspektes könne man nicht pauschal von Defiziten gegenüber herkömmlichen Salatprodukten sprechen, meint Ernährungsberaterin Marlies Gruber. Darin ist sich die Geschäftsführerin des Forums Ernährung Heute mit Elisabeth Enzinger einig, welche die Qualitätssicherung eines Wiener Convenience-Salat-Produzenten verantwortet. Um den Salat bequem essfertig und zusätzlich etwas länger haltbar zu machen, wird dem kalten Waschwasser lediglich Milch- oder Zitronensäure zugesetzt, mit der Absicht den pH-Wert zu senken. Bei der Abpackung in Schlauchbeutel wird dann noch Sauerstoff entzogen bzw. durch zugesetzten Stickstoff verdrängt, um die Oxidationsprozesse und damit die unerwünschte Braunfärbung zu verhindern. Diese setzen nach dem Entfernen der Schutzhülle jedoch ebenso rasch ein, wie bei “normalen” Salaten, weshalb auch Convenience-Salat sofort nach dem Öffnen verzehrt werden müsse, betonen sowohl Gruber als auch Enzinger. Entscheidend für die ernährungsphysiologische Qualität sowie die ökologische Komponente sei die Rohware und der Produktionsprozess derselben und nicht die Weiterverarbeitung zum Convenienceprodukt. Allenfalls falle bei Convenience-Salat etwas mehr Verpackung an, wobei dies auch nicht auf alle Produkte zutreffe, so Gruber abschließend.
Nitrat und Salat: eine komplexe Beziehung
Nitrat im Boden und Grundwasser
Salat braucht, wie jede Pflanze, Nitrat um zu wachsen. Die Pflanzen nehmen es aus dem Boden auf und verwenden es zur Energiegewinnung und Proteinsynthese. Damit ausreichend Nitrat vorhanden ist, müssen die Bauern zumeist düngen. Mineralische Stickstoffdünger sind nur eine von mehreren Möglichkeiten, die Pflanzen mit Nitrat zu versorgen. Vor allem Bio-Salatbauern setzen vermehrt auf Kompost und sogenannte Gründüngung als Ersatz für mineralischen Stickstoff.
Wenn mehr Stickstoff den Pflanzen angeboten wird, als sie aufnehmen können, kann Nitrat (NO3) ins Grundwasser gelangen. Der Grenzwert von 50 mg pro Liter Wasser darf in ganz Europa nicht überschritten werden. Andernfalls verliert Wasser seine Trinkwasserqualität.
Zuviel Nitrat im Grundwasser birgt zwei potentielle Gefahren, weshalb es die oben genannten strengen und auch streng überwachten Grenzwerte gibt. Zum einen drohen Gewässer durch das übermäßige Nährstoffangebot zu veralgen (Eutrophierung). Zum anderen kann sich Nitrat im Körper am Blutfarbstoff Hämoglobin anlagern und diesen in eine Variante umwandeln, die weniger Sauerstoff transportieren kann.
Eisbergsalat-Produzent Josef Wieser, angesprochen auf die manchmal im Zusammenhang mit dem intensiven Salatanbau genannte Nitrat-Grundwasser-Problematik, sieht keinen Handlungsbedarf. Er verweist auf zahlreiche vorbeugende Schutzmaßnahmen und ein enges Messstellennetz. Die Richtlinien für die saatgerechte Düngung im Salatanbau müssen genau eingehalten werden, damit der Salat ausreichend Inhaltsstoffe produzieren kann und gleichzeitig das Trinkwasser erhalten bleibt.
Nitrat im Salat
Zu viel Nitrat gesundheitsschädlich?
Salat braucht, wie weiter oben ausgeführt, Nitrat zum Wachsen. Die Pflanzen nehmen es aus dem Boden auf und verwenden es zur Energiegewinnung und Proteinsynthese. Für die Umwandlung in Protein ist Sonnenlicht notwendig. Fehlt die Sonne, so speichern die Salate Nitrat im Vergleich zu anderen Gemüsen in besonders großer Menge. Salat aus dem Freiland enthält meist weniger Nitrat, da er in der Regel mehr Sonne bekommt als Salat aus geschütztem Anbau. Auch die Salate aus biologischer Landwirtschaft weisen häufig einen geringeren Gehalt auf. Das ist aber, wie bei allen Freilandsalaten, witterungsabhängig.
Hohe Nitratmengen im Salat gelten als unerwünscht, da ein Teil des aufgenommenen Nitrats durch Bakterien in Nitrit umgewandelt werden kann. Nitrit kann dann im Körper mit Eiweißen zu Nitrosaminen reagieren, die im Verdacht stehen, Krebs auszulösen. Dass der Verzehr nitratreichen Gemüses wie Rucola, Radicchio oder Rote Rübe das Krebsrisiko tatsächlich erhöht, konnten Studien jedoch nie nachweisen.
Bei den Wintersalaten zählen vor allem Endivie und Feldsalat zu den Sorten mit hohem Nitratgehalt. Dabei speichern Salate den unerwünschten Stoff vor allem im Strunk, den dicken Blattrippen und den äußeren Blättern. Bei Feldsalat sammelt sich das Nitrat besonders in Stielen und Rosetten. Um den Nitratgehalt im Salat zu senken, sollten die genannten Pflanzenteile beim Putzen entfernt werden. Auch wenn Feldsalat als einzelne Blätter nicht mehr so attraktiv aussieht wie in den Rosetten, sinkt sein Nitratgehalt so beträchtlich. Außerdem ist der Salat dann auch leichter zu waschen.
Neueste Forschungsergebnisse bewerten Nitrat deutlich positiver
Salat- und Gemüseexperte Wolfgang Palme verweist in diesem Zusammenhang aber auf jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse, welche zu einer deutlich positiveren Bewertung von Nitrat im Gemüse kommen. So weisen Studien auf günstige Wirkungen wie Blutdruckregulation oder besseren Schutz der Magenschleimhaut hin. Nitrit führt im Körper zur Bildung von Stickstoffmonoxid. Dieses Gas gilt als einer der potentesten Blutverdünner; seinen Vorläufer Nitroglycerin geben Ärzte bei Angina pectoris. Selbst die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit kommt in ihrer neuesten Stellungnahme zu dem Schluss, es sei "unwahrscheinlich, dass Nitrat aus Gemüse zu merklichen Gesundheitsrisiken führt. Dagegen überwiegen die nützlichen Effekte."
Salat und Gemüse im Winter aus Angst vor zu viel Nitrat zu meiden ist daher sicher nicht ratsam, meint Palme abschließend: “Die Gefahr wurde jahrelang überschätzt."