Tiergesundheit
Wie es um die Gesundheit der Tiere steht, ist von vielen Faktoren abhängig. Haltungsbedingte Faktoren wie das Haltungssystem, die Hygiene im Stall, die Fütterung und die Wasserversorgung spielen dabei ebenso eine Rolle wie umweltbedingte Faktoren. Dazu gehört zum Beispiel das Wetter: Rinder vertragen Kälte zwar gut, gegen Feuchtigkeit und Zugluft etwa sind sie weniger resistent. Generell spielt das Betriebsmanagement also eine große Rolle, denn die Bäuerinnen und Bauern können auf viele der genannten Faktoren Einfluss nehmen und so zur Gesundheit ihrer Tiere beitragen.
Um die Tiergesundheit steht es in Österreich im internationalen Vergleich generell übrigens gut. Das belegen auch die Zahlen zum Antibiotikaeinsatz, bei dem wir deutlich unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Mit 41,3 mg/PCU bekommen unsere Nutztiere rund die Hälfte des europäischen Durchschnittes an Antibiotika verabreicht.
Krankheiten und Antibiotikaeinsatz
„Weist ein Tier Anzeichen einer Krankheit oder Verletzung auf, so muss es unverzüglich ordnungsgemäß versorgt werden, erforderlichenfalls unter Heranziehung eines Tierarztes.“ Der §15 des österreichischen Tierschutzgesetzes mag selbstverständlich klingen, die Behandlung von Nutztieren und dabei insbesondere die Gabe von Medikamenten sind jedoch nicht immer nur positiv konnotierte Themen – vor allem, weil die Konsumentinnen und Konsumenten sich um Rückstände von Medikamenten im Fleisch sorgen. In den Ländern der Europäischen Union verhindern das gesetzlich geregelte Wartefristen, die nach der Gabe bestimmter Medikamente eingehalten werden müssen, und das Verbot einer prophylaktischen Behandlung mit Antibiotika. Außerdem dürfen Antibiotika in Österreich nur zur Behandlung von Krankheiten und nicht zur Leistungssteigerung eingesetzt werden. Für den Tierarzt Bernhard Schauer steht jedenfalls fest:
„Jedes Tier hat im Falle einer Krankheit ein Recht auf Behandlung – alles andere würde dem Tier Leid zufügen und gegen das Grundverständnis von Tierwohl verstoßen.“
Entgegen der Vorstellung vieler Konsumentinnen und Konsumenten liegt es nicht im Interesse der Landwirtinnen und Landwirte, regelmäßig und in großem Stil Antibiotika einzusetzen. Antibiotika sind teuer, hinzukommt, dass nach ihrem Einsatz eine Wartefrist eingehalten werden muss, innerhalb der das Rind nicht geschlachtet werden darf. Das ist vor allem in der Endphase der Mast ein Problem, denn für jeden Tag, den das Tier länger im Stall steht, trägt die Bäuerin oder der Bauer auch die Kosten und zusätzlich das Ausfallrisiko. „Niemand setzt Antibiotika aus Jux und Tollerei ein“, bringt es der Tierarzt Bernhard Schauer auf den Punkt.
Insgesamt entfielen knapp 27 Prozent der Antibiotika, die Nutztieren in Österreich im Jahr 2022 verabreicht wurden, auf die Behandlung von Rindern. Rund 9,2 Prozent haben Milchkühe erhalten, 8,1 Prozent Mastrinder und 3,7 Prozent Mastkälber.
In der biologischen Landwirtschaft gelten strengere Vorschriften: Wer sein Fleisch biologisch vermarkten möchte, darf das Rind nur maximal dreimal pro Jahr mit Antibiotika behandeln. Dauert der Produktionszyklus weniger als zwölf Monate – zum Beispiel bei der Kalbfleischproduktion – dann darf überhaupt nur einmal ein Antibiotikum eingesetzt werden. Was aber, wenn das Tier öfter krank ist und ein weiterer Antibiotikaeinsatz notwendig ist, um die Gesundheit zu gewährleisten? Dann kann das Fleisch zwar nicht mehr biologisch vermarktet werden, wohl aber konventionell.
Die ersten Lebensmonate als kritischste Phase
Die allermeisten Erkrankungen treten bei Rindern in den ersten Wochen beziehungsweise Monaten ihres Lebens auf. Diese Phase ist besonders kritisch, da Kälber ihr Immunsystem erst ausbilden müssen und sehr empfindlich auf Stress reagieren – auch im Vergleich zu anderen Tierarten. Erschwerend hinzu kommt, dass die Kälber für die Mast meistens von vielen verschiedenen Betrieben kommen, wodurch auch viele unterschiedliche Keime in einem Stall zusammenkommen. Der Betriebswechsel setzt die jungen Tiere zusätzlichem Stress aus, ebenso wie beispielsweise die Futterumstellung. All diese Faktoren führen immer wieder dazu, dass ein Kalb in den ersten Wochen oder Monaten verstirbt. Die Tiergesundheit ist also auch ökonomisch gesehen ein ausgesprochen relevanter Faktor in der Rindermast.
Durchfall und Rindergrippe am häufigsten
Am häufigsten haben die Rinderhalterinnen und -halter bei ihren Kälbern mit Durchfall zu kämpfen. Das kann verschiedene Ursachen haben, von Stress über Viren, Bakterien und Parasiten bis hin zur Futterumstellung. Am zweithäufigsten sind die Atemwege betroffen. Das liegt am Aufbau der Rinderlunge und daran, dass sie erst nach etwa zwei bis drei Jahren voll ausgebildet ist. Das macht die Lunge zu einer Schwachstelle, die zur Entzündung neigt.
Auch mit fortschreitendem Alter der Rinder bleibt die Lunge ein krankheitsanfälliges Organ, dementsprechend häufig treten Lungenentzündungen auf . Man spricht dabei von der Rindergrippe. Gegen diese gibt es eine Impfung. Ob geimpft wird oder nicht, ist von Betrieb zu Betrieb verschieden und auch eine Kostenfrage. Ganz allgemein treten Krankheiten bei ausgewachsenen Rindern aber deutlich seltener auf als bei Kälbern, gesundheitliche Beeinträchtigungen kommen dann eher von Verletzungen, Hauterkrankungen und Parasiten.
Antibiotika: Prophylaxe vs. Metaphylaxe
Krankheiten wie die Rindergrippe oder Durchfall können mit Antibiotika behandelt werden. Antibiotika präventiv einzusetzen, ist grundsätzlich verboten. Die Bäuerin oder der Bauer darf also beispielsweise den gesunden Kälbern nicht prophylaktisch ein Antibiotikum verabreichen, wenn sie am Hof ankommen, um eine Erkrankung in den ersten Tagen zu verhindern. Was aber sehr wohl erlaubt ist, ist die sogenannte Metaphylaxe. Wenn also innerhalb eines Bestandes ein Tier erkrankt – es hat also zum Beispiel eines der Kälber Lungenentzündung – dann dürfen auch die restlichen Tiere mit Antibiotika behandelt werden, da die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass ansonsten auch sie erkranken.
Dokumentation und Wartezeiten
In der EU muss jedes Antibiotikum, das einem Rind verabreicht wird, dokumentiert werden. Die Anzahl der behandelten Tiere, Menge und Chargennummer des eingesetzten Arzneimittels, Dosis und Behandlungsdauer: All diese und weitere Daten müssen bei jedem einzelnen Antibiotikaeinsatz gemeldet werden. Nach der Behandlung muss eine Wartefrist eingehalten werden, in der das Rind nicht geschlachtet werden darf. Diese Wartefrist ist von Antibiotikum zu Antibiotikum unterschiedlich und stellt sicher, dass sich im Fleisch keine Rückstände des Medikaments mehr befinden. In der biologischen Landwirtschaft sowie für Fleisch, das mit dem AMA-Gütesiegel ausgezeichnet ist, gilt die doppelte Wartefrist. Für den Tierarzt Bernhard Schauer ist das nicht nachvollziehbar, denn auch bei der Wartefrist für die konventionelle Haltung seien im Fleisch keinerlei Rückstände mehr nachweisbar. Die längere Wartefrist bei Bio suggeriere den Konsumentinnen und Konsumenten jedoch das Gegenteil.
Mit dem sogenannten Tiergesundheitsdienst (TGD) gibt es in der österreichischen Nutztierhaltung eine Besonderheit. Im Rahmen des TGD arbeiten Landwirtinnen und Landwirte und Tierärztinnen und -ärzte zusammen, um die Gesundheit der heimischen Nutztiere zu verbessern und die Qualität tierischer Lebensmittel zu sichern. Betriebe, die Mitglied beim Tiergesundheitsdienst sind, haben einen Betreuungstierarzt, der ihnen auch beratend zur Seite steht. Rund die Hälfte der österreichischen Rindermastbetriebe sind Mitglieder beim TGD – schon allein deshalb, weil die Mitgliedschaft für AMA-Betriebe verpflichtend ist.
Eingriffe
Das Tierschutzgesetz definiert einen Eingriff als Maßnahme, „die zur Beschädigung oder zum Verlust eines Teils des Körpers oder einer Knochenstruktur führt“. Dazu zählen etwa das Kastrieren und das Enthornen der Rinder. Solche Eingriffe dürfen nur dann vorgenommen werden, wenn sie therapeutischen oder diagnostischen Zwecken beziehungsweise dem Schutz der Tiere dienen oder notwendig sind, um sie ordnungsgemäß zu kennzeichnen – zum Beispiel durch das Anbringen einer Ohrmarke. In Ausnahmefällen ist auch das Schwanzkupieren zulässig, also das Entfernen des untersten Stückes des Schwanzes.
All diese Eingriffe dürfen laut Gesetz nur unter Betäubung durchgeführt werden. Außerdem muss das Rind nach dem Eingriff schmerzlindernd behandelt werden.
Enthornung
Die Enthornung ist ein Eingriff, der an Kälbern vorgenommen wird, um zu verhindern, dass sie später Hörner ausbilden. Es gibt dazu verschiedene Methoden, die gängigste ist jedoch die sogenannte thermische Enthornung. Dabei wird die Hornknospe – also das, woraus später das Horn wachsen würde – mit einem Brennstab ausgebrannt.
Während man sich über die Methode relativ einig ist, gehen die Meinungen über die Notwendigkeit der Enthornung auseinander. Die einen sehen sie als unumgänglichen Sicherheitsaspekt für Mensch und Tier, die anderen halten behornte Rinder und haben kaum je gravierende Probleme gehabt. Generell ist das Enthornen in der Rindermast jedoch weit verbreitet, oftmals auch aus praktischen Gründen wie der Aufstallung. Gibt es zum Beispiel ein Fressgitter, durch das die Rinder ihre Köpfe stecken müssen, um zum Futter zu gelangen, dann kann es leicht passieren, dass sie sich mit ihren Hörnern darin verhängen. Auch wenn die Tiere auf eher engem Raum gehalten werden, können Hörner ein Verletzungsrisiko für Mensch und Tier mit sich bringen.
Nicht alle Rinder haben Hörner – es gibt auch hornlose Rassen wie zum Beispiel das Angus-Rind. Auch in der Zucht zeichnet sich ein Trend in Richtung hornlos ab, zum Beispiel beim Fleckvieh. Das erspart den Tieren den Eingriff und den Bäuerinnen und Bauern den Aufwand des Enthornens und die damit verbundenen Kosten.
Kastration
Anders als beim Schwein werden männliche Rinder erstens nicht standardmäßig kastriert, und zweitens auch nicht , um wie beim Schwein den Geschmack des Fleisches zu beeinflussen. Der Hauptgrund für eine Kastration liegt in der Haltung: Ochsen, also kastrierte Stiere, haben ein deutlich ruhigeres Temperament und können außerdem mit Kalbinnen gemeinsam gehalten werden, ohne Gefahr zu laufen, dass die weiblichen Tiere trächtig werden. Außerdem eignen sich Ochsen besser für die extensive Haltung: Sie verfetten deutlich einfacher und früher als Stiere und benötigen daher auch weniger energiereiche Rationen, um die Schlachtreife zu erreichen. So kann man einen Ochsen auch auf der Weide mästen, der Stier hingegen bräuchte dann viel zu lange bis zur Schlachtreife, was wiederum die Mast unrentabel macht und sich negativ auf die Fleischqualität auswirkt. Auch aufgrund ihres Temperaments eignen sich Stiere nicht unbedingt für die Weidehaltung, bei Ochsen hingegen ist das problemlos möglich.
Kastriert werden die Kälber im Alter zwischen drei Wochen und acht Monaten. Bei der Vorgehensweise wird zwischen der blutigen und der unblutigen Kastration unterschieden. Wie der Name schon sagt, wird bei der blutigen Kastration der Hodensack aufgeschnitten und die Hoden herausgenommen. Dadurch entsteht eine offene Wunde, wodurch auch die Gefahr einer Infektion besteht. Der Vorteil der blutigen Kastration liegt darin, dass das Rind danach zu einhundert Prozent nicht mehr fortpflanzungsfähig ist. Bei der unblutigen Methode hingehen besteht ein gewisses Risiko, dass die Kastration nicht erfolgreich ist. Hierbei werden die Hoden nämlich nicht entfernt, sondern nur die Samenstränge mit einer Zange abgeklemmt. Dadurch kommt es zu einer Durchblutungsstörung und die Hoden bilden sich mit der Zeit zurück. Früher wurde dieser Effekt erzielt, indem über den Hoden ein Gummiband um die Samenstränge gewickelt wurde. In Österreich ist das mittlerweile verboten, in vielen anderen Ländern ist das jedoch noch die gängige Praxis.
Sowohl bei der blutigen als auch bei der unblutigen Methode werden die Kälber zunächst sediert und dort, wo der Eingriff erfolgt, zusätzlich lokal anästhesiert. Nach der Kastration erhalten sie Schmerzmittel.
Schwanzkupieren
Ein weiterer Eingriff, der in der Rindermast zwar nicht standardmäßig, aber doch immer wieder vorgenommen wird, ist das Schwanzkupieren. Dabei wird das unterste Stück vom Schwanz entfernt. Das ist grundsätzlich verboten, kann vom Tierarzt jedoch bewilligt werden, sollte es notwendig sein. Man macht das, um zu verhindern, dass sich die Tiere selbst oder gegenseitig auf den Schwanz treten und sich dabei verletzen. Hat ein Rind eine Wunde an der Schwanzspitze, so kommt es zu einer Infektion (Schwanzspitzennekrose), welche im schlimmsten Fall im Schwanz aufsteigt und zu einer Entzündung des Rückenmarks führt.
Das kann grundsätzlich in jedem Haltungssystem vorkommen, ist generell jedoch eher eine Problematik, die in Vollspaltenbodenbuchten auftritt. Dort haben die Tiere weniger Platz, wodurch die Gefahr größer ist, dass sie sich gegenseitig auf die Schwanzspitze treten, und auch die Spalten können dazu beitragen, dass so Verletzungen am Schwanz herbeigeführt werden.