Ressourcen
Um als Milchbäuerin respektive Milchbauer arbeiten zu können, werden folgende Ressourcen benötigt:
- landwirtschaftlich nutzbare Flächen
- Arbeitskräfte
- Unterkunft für Mensch und Tier
- maschinelle Ausrüstung, Rinder
- Futtermittel und finanzielle Mittel
- Ausbildung und Know-how
Viele von uns befragte Bäuerinnen und Bauern bezeichnen Ausbildung und Know-how als ganz wesentliche Ressourcen.
Familien, Traditionen und "Bauernsterben"
Die typische Form des österreichischen Milchbetriebs ist der von einer Familie geführte Bauernhof, häufig in der x-ten Generation. Nur ganz vereinzelt werden Betriebe nach internationalem “Vorbild” nicht von den Besitzenden selbst, sondern von angestellten Agrarmanagerinnen und Agrarmanagern, geführt. Umso öfter schließen Landwirtinnen und Landwirte die Stalltür für immer und beenden vielfach eine Jahrhunderte alte Familientradition.
Kriterien für die Hofnachfolge einst und heute
Die Hofübernahme erfolgt heute ebenso wie in früheren Generationen meist innerhalb der Familie. So wuchsen und wachsen Kinder in die spezifischen Arbeitsfelder und die jeweilige Situation am Hof hinein. Wer dann tatsächlich Bauer wurde, hing früher noch häufig vom Geschlecht und der Position innerhalb der Geschwisterreihe ab.
Wobei nicht selten “sanfter Druck” ausgeübt wurde und die Entscheidung nur bedingt beim zukünftigen Bauern lag. Altbauer Heinrich Wieser erinnert sich: ”Mehr Möglichkeiten oder Freiheiten, sich zu entfalten, haben meine Schwestern gehabt. Wenn ich über Berufswünsche gesprochen habe, hat es geheißen: ‘Du musst Bauer werden!’ “
Heute scheint das Geschlecht kaum noch eine Rolle zu spielen, wie unsere Befragung von Schülern und Schülerinnen der Landwirtschaftlichen Fachschule im niederösterreichischen Pyhra zeigt. Die angehenden Jungbäuerinnen und -bauern betonen außerdem, dass ihre Berufsentscheidung aus eigenem Antrieb und meist sehr früh erfolgte. Die Freude am Arbeiten mit den Kühen und die vielfältigen Aufgaben werden häufig als ausschlaggebend bezeichnet. Jungbauer Daniel Wieser ist von seinem Beruf überzeugt: “Landwirtschaft, das ist einfach so vielfältig. Du hast so viele verschiedene Aufgaben. Du arbeitest mit Maschinen und Tieren, dann gehst du in den Wald oder hast wieder etwas am Feld zu tun.”
Österreichs Milchbetriebe werden von Jahr zu Jahr weniger. Von 1995 bis 2018 hat etwa ein Drittel mit der Milchwirtschaft aufgehört, das sind etwa sechs Milchbäuerinnen und -bauern pro Tag. Verglichen wird die Anzahl jener Landwirtinnen und Landwirte, die an eine Molkerei liefern.
Die Anzahl der Milchbäuerinnen und Milchbauern sinkt, doch steigt gleichzeitig die Anzahl der Kühe pro Betrieb. Das hat mit dem Strukturwandel zu tun, der wesentlich durch politische Maßnahmen (Gemeinsame Agrarpolitik) beeinflusst wird. In diesem Zusammenhang hat sich auch der Spruch "wachse oder weiche" eingebürgert.
Zahlungen der öffentlichen Hand
Einen Teil des Einkommens machen so genannte Ausgleichszahlungen aus. Die EU hat dafür ein Budget, das die Mitgliedsstaaten für die Förderung der Landwirtschaft erhalten. Seit 1.1.2015 gilt das Programm “GAP 2020”. “GAP” steht für “Gemeinsame Agrarpolitik”. Die GAP zielt nach ihrem Selbstverständnis auf gesamteuropäische “Ernährungssouveränität”. Die europäische Landwirtschaft soll Europas Bevölkerung im Großen und Ganzen ernähren können. Von Anfang an war die Subventionspolitik im Rahmen der GAP und ihre Vergabekriterien mehr als umstritten. Bis 2003 wurden Betriebe nach ihrem Output gefördert. Das hatte zu einer Explosion in der betrieblichen Produktivität in vielen agrarischen Bereichen geführt. Dafür wurde etwa Futter in großen Mengen zugekauft, nur um die Erträge zu steigern. Seit 2003 wird die Förderung an Flächen gebunden und nicht länger an Produktionsmengen. Dies wiederum führte nach dem Prinzip “großer Bauer frisst kleinen Bauern” zur Anhäufung von Agrarflächen in weiten Teilen Europas. Die GAP reagiert darauf mit Anreizprogrammen zur verstärkten ökologischen Ausrichtung der europäischen Landwirtschaft.
Transparenzdatenbank
Österreich hat verschiedene Kategorien geschaffen, nach denen das bei der EU beantragte Geld national verteilt wird. Welcher Betrieb wofür welche Zahlungen erhält, bestimmt also im Detail der jeweilige Mitgliedsstaat. Der Staat muss alle Zahlungen veröffentlichen. Österreich macht dies in der Transparenzdatenbank. Auf www.transparenzdatenbank.at kann man die Namen einzelner Bäuerinnen und Bauern eingeben und sieht, welche Zahlungen sie wofür erhalten. Angegeben ist auch, was die Zahlungen aus der GAP bewirken sollen.
Ausgleichszahlungen und solche für ökologische Maßnahmen (ÖPUL)
Wir haben in der Transparenzdatenbank nach jenen Milchbäuerinnen und -bauern gesucht, bei denen wir für Videoaufnahmen zu Gast waren. Pro Jahr erhalten sie vier- bis fünfstellige Euro-Beträge. Diese setzen sich aus bis zu acht unterschiedlichen Maßnahmen zusammen.
Alle bekommen die Betriebsprämie und bekamen noch bis 2015 die “Besondere Stützung”.
Betriebsprämie | Richtet sich seit 2003 nach der bewirtschafteten Fläche. Vor 2003 wurden die Zahlungen nach der Produktionsmenge berechnet. Seit 2015 gibt es einen Maximalbetrag für Betriebe mit sehr großer bewirtschafteter Fläche. |
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Besondere Stützung - Milchkuhprämie | Soll “besondere Nachteile in den Sektoren Milcherzeugnisse, Rindfleisch, Schaf- und Ziegenfleisch” ausgleichen. Mit dem Auslaufen der Milchquote 2015 lief auch diese Prämie aus. |
Darüber hinaus können Landwirtinnen und Landwirte für Leistungen, die nicht gesetzlich verpflichtend sind, folgende Zahlungen von der öffentlichen Hand erhalten.
Teilnahme an Qualitätsprogrammen | Für Bäuerinnen und Bauern, die sich an bestimmten Lebensmittelqualitätsprogrammen beteiligen. |
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Agrarumweltmaßnahmen | Für Bäuerinnen und Bauern, die sich zu bestimmten umweltschonenden Produktionsverfahren verpflichten. |
Tierschutzmaßnahmen | Für Bäuerinnen und Bauern, die sich über das Tierschutzgesetz hinaus zu zusätzlichen Maßnahmen verpflichten. |
Ausgleichszahlungen für Berggebiete | Erhalten Landwirtinnen und Landwirte in Berggebieten “für naturbedingte Nachteile” in der Produktion. |
Niederlassung von Junglandwirten | Bekommen Bäuerinnen und Bauern unter 40 Jahren, die sich “erstmals als Betriebsinhaber niederlassen.” Soll “sowohl die Erstniederlassung von Landwirten (...) als auch die spätere strukturelle Anpassung ihrer Betriebe erleichtern.” |
Zahlungen für Rindfleisch | Für Bäuerinnen und Bauern, die Rinder zur Fleischproduktion halten |
Auch weitere Betriebe entlang der Wertschöpfungskette können Ausgleichszahlungen bekommen. Alle Zahlungen sind unter www.transparenzdatenbank.at zu finden.
Begründung der Zahlungen
Laut Transparenzdatenbank sind “diese vielfältigen Leistungen der heimischen Landwirtschaft” nur durch die entsprechenden Zahlungen möglich. Dafür würde es öffentliche Gelder brauchen. Demnach würden alle Zahlungen an landwirtschaftliche Betriebe wohl begründet sein. Die Bäuerinnen und Bauern werden regelmäßig kontrolliert, ob sie nach wie vor alle Kriterien für die einzelnen Ausgleichszahlungen erfüllen.
Haupterwerb oder Nebenerwerb
Knapp 20 Prozent der österreichischen Milchbäuerinnen und Milchbauern betreiben die Landwirtschaft im Nebenerwerb. Eine Bäuerin oder ein Bauer betreibt die Landwirtschaft dann im Nebenerwerb, wenn er weniger als 50 Prozent der gesamten Arbeitszeit im landwirtschaftlichen Betrieb tätig ist. Wenn ein Ehepaar gemeinsam den Betrieb leitet, werden ihre Arbeitszeiten addiert. Dann liegt die Grenze bei 50 Prozent der gesamten Arbeitszeit des Ehepaares. Von Haupterwerb spricht man, wenn es ein zusätzliches Einkommen gibt, das unter den 50-Prozent-Grenzen liegt. Der Haupterwerb ist ein Vollerwerb, wenn das gesamte Einkommen einer Bauernfamilie aus der Landwirtschaft kommt.
Ein Grund, warum hierzulande so viele Milchbetriebe die Landwirtschaft im Nebenerwerb betreiben, ist die Kleinstrukturiertheit der österreichischen Milchwirtschaft. Zu 69 Prozent kommt die Milch aus Bergregionen. Dort gibt es viele Täler und Berglagen, in denen traditionell nur eine geringe Anzahl an Kühen zur Grünlandbewirtschaftung gebraucht wird. Kleinere Betriebe werden öfter im Nebenerwerb geführt, da die Erträge für einen Haupt- oder Vollerwerb nicht ausreichen. Viele Milchbäuerinnen und -bauern entschließen sich, die Landwirtschaft neben einem weiteren Beruf auszuüben.
Fast immer haben die Generationen davor auch schon Milchkühe gehalten und die eigenen Grünlandflächen bewirtschaftet. Würde eine Bäuerin oder ein Bauer ganz aufhören, würden keine Kühe mehr im Stallgebäude stehen und die Grünlandflächen um den Bauernhof würden verpachtet, verkauft oder verwalden. Um die Familientradition zu halten und die eigenen Flächen und Gebäude weiterhin selbst zu nutzen, betreiben viele Bäuerinnen und Bauern die Milchwirtschaft im Nebenerwerb anstatt ganz damit aufzuhören.
Da Bergregionen oftmals gleichzeitig Tourismusregionen sind, suchen sich viele Bäuerinnen und Bauern ein zweites Standbein, indem sie Unterkünfte für Touristen anbieten und/oder im Bereich des Tourismus arbeiten. Wieder andere bringen ihr breites fachliches Know-how im Servicebereich des Maschinenrings nebenberuflich ein. Von ÖBB-Bediensteten bis zu Krankenhausmitarbeitenden, die Palette der Nebenberufe österreichischer Milchbäuerinnen und -bauern ist groß.
Fast ein Drittel der österreichischen Milchbäuerinnen und -bauern betreibt die Landwirtschaft im Nebenerwerb. Von den Haupterwerbsbäuerinnen und -bauern arbeitet Expertinnen und Experten zufolge nur ein kleiner Teil im Vollerwerb. Demnach gibt es in den meisten Bauernfamilien ein zusätzliches Einkommen, das nicht aus der Landwirtschaft kommt.
Ausbildung
Ein Großteil der Betriebsführenden der jüngeren Generation haben eine einschlägige schulische Ausbildung absolviert. Das österreichische Fördersystem unterstützt diesen Trend und koppelt Geldleistungen an entsprechende Grund- und Weiterbildungen. Viele Neueinsteigende erachten eine einschlägige Ausbildung zum Facharbeiter für notwendig.
Die Zahl der Milchbäuerinnen und -bauern mit Matura steigt an, genauso wie die Zahl jener Betriebe, die von einer Frau geführt werden. Das ist derzeit jeder vierte Betrieb. Immer mehr Landwirtinnen und Landwirte setzen auch auf lebenslange Weiterbildung, wie sie von schulischen Einrichtungen, der Landwirtschaftkammer oder Verbänden wie Bio Austria oder der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Grünlandwirtschaft ÖAG in großer Zahl angeboten werden.
Die von uns besuchten Bäuerinnen und Bauern waren einhellig der Meinung, dass Know-how zu den wichtigsten Ressourcen zählt. Ständige Weiterbildung sei eine unabdingbare Voraussetzung, um überhaupt bestehen zu können.
Bio oder Konventionell
26 Prozent der Milchbäuerinnen und -bauern betreiben eine Bio-Landwirtschaft. Das sind mehr als doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Jeder Bio-Betrieb muss sich an die EU-Bio-Richtlinien halten. Auf nationaler Ebene sind im Tierschutzgesetz und im Lebensmittel-Codex einzelne Punkte für Bio-Milchviehhaltung definiert. In der Regel gehört eine Bio-Bäuerin respektive ein Bio-Bauer auch noch einem Bio-Verband wie Bio Austria oder Demeter an. Dann bekommt sie/er zusätzliche und strengere Auflagen. Auch Handelsmarken oder Gütesiegel können ihren liefernden Bio-Betrieben zusätzliche Vorgaben auferlegen.
Umstellung auf Bio
Will eine Bäuerin oder ein Bauer von konventioneller auf Bio-Landwirtschaft umstellen, muss sie/er zunächst prüfen, ob eine Umstellung überhaupt möglich und sinnvoll ist. So müssen etwa die Umbaumaßnahmen leistbar sein und die Molkerei muss die Milch in einer eigenen Kammer im Tankwagen abholen. Die Bäuerin respektive der Bauer muss sich schon vor der Umstellung das Wissen aneignen, welche Bio-Auflagen sie oder er zu erfüllen hat. Erst 24 Monate nach der Umstellung auf die Bio-Anforderungen darf der Betrieb Bio-Milch verkaufen. Nur wenn der Betrieb vorher bereits extensiv gewirtschaftet hat, kann diese Zeit etwas verkürzt werden.
Bio-Bauer Erich Rust aus Kapfenberg musste für die Umstellung auf Bio eine Möglichkeit zum Auslauf für die Kälber errichten. Der Laufstall war bereits vor der Umstellung vorhanden. Erich führte Gespräche mit seinem Tierarzt, ob der Stall den Bio-Anforderungen gerecht wird. Laut Erich hänge die Bereitschaft zur Umstellung bei den Bäuerinnen und Bauern unter anderem davon ab, wie groß die Differenz zwischen dem konventionellen und dem Bio-Bereich sei. Er betont aber: “Nur wegen dem Geld alleine sollte man nicht umstellen.” Erich ist auch Direktvermarkter und spürt im direkten Kontakt mit den Konsumentinnen und Konsumenten die Nachfrage nach Bio. Besonders Menschen, die sich dafür interessieren, wo die Lebensmittel herkommen und bei der Bäuerin oder beim Bauern kaufen, zahlen gerne einen höheren Preis für Bio.
Jeder Bio-Betrieb wird mindestens einmal im Jahr von einer unabhängigen und zertifizierten Kontrollstelle geprüft. Es gibt verschiedene Organisationen, die unterschiedliche Aufgaben im Bio-Bereich übernehmen. Die unabhängigen Kontrollstellen sind akkreditiert und nicht zu verwechseln mit Vermarktungsorganisationen oder Vereinen wie Bio Austria.
Sebastian Herzog, Obmann von Bio Austria Salzburg, erzählt, dass Bio in seiner Familie Tradition habe. Bereits sein Großvater habe vor 40 Jahren auf Bio umgestellt. Für Sebastian sei es keine Frage gewesen, in welcher Form er die Milchwirtschaft betreibt: “Die Bio-Landwirtschaft sieht die Lebensmittelproduktion als Ganzes. Es ist ein Kreislauf, mit dem wir leben auf unserem Hof, mit unseren Tieren, mit Pflanzen und Boden. Das geht alles Hand in Hand. Wenn man das richtig versteht, kann man wunderbar produzieren und ein hochwertiges Lebensmittel herstellen, das dem Menschen eigentlich nur Gutes geben kann.”
Bewirtschaftung alpiner Regionen
Als Alpenrepublik hat Österreich einen hohen Anteil an Regionen, die sich für intensive Landwirtschaft nicht eignen. Dennoch gibt es landwirtschaftliche Bereiche, die auch die Bergregionen bewirtschaften können. Laut Bundesministerium für ein lebenswertes Österreich hat die Haltung von Rindern dabei die größte Bedeutung: “Die Milchvieh- und Rinderhaltung stellen die für die Betriebe des Berggebietes mit Abstand wichtigsten Produktionsbereiche dar, wobei die Betriebe mit höchster Erschwernis oft fast ausschließlich von diesen Bereichen – neben der Forstwirtschaft – abhängig sind.”
Die Tendenz geht zu mehr Milchproduktion in den “günstigeren Regionen des Berggebietes”. Die Milchwirtschaft auf Almen hat mengenmäßig eine sehr geringe Bedeutung und geht ebenfalls zurück. Dazu das Ministerium: “Leider ist nicht zu übersehen, dass sich die Milchwirtschaft in letzter Zeit zunehmend in günstigere Regionen des Berggebietes verlagert.” Die Bewirtschaftung von Berggebieten aufrecht zu erhalten sei “eine Schlüsselaufgabe für die Erhaltung der österreichischen Kulturlandschaft.”
Viel Grünland gibt es vor allem in sogenannten "benachteiligten Gebieten" wie zum Beispiel dem Berggebiet. In diesem "benachteiligten Gebiet" sind auch die meisten Milchbetriebe angesiedelt, nämlich genau 75 Prozent. Auf die gesamte Landesfläche Österreichs gesehen, sind 80 Prozent benachteiligtes Gebiet.