Unser tägliches Brot gib uns heute!
In der Kulturgeschichte der Menschheit gibt es vielleicht kein bedeutsameres Ereignis als die sogenannte Neolithische (Jungsteinzeitliche) Revolution. Was so bezeichnet wird, ist jener sich über unbekannt lange Perioden und in unterschiedlichen Weltregionen zu unterschiedlichen Zeiten erstreckende Prozess der Sesshaftwerdung des Menschen: der Beginn der menschlichen Zivilisation.
Unstrittig ist die Bedeutung, die der Ackerbau dabei gespielt hat. Unstrittig auch die Rolle die den Urformen des bis heute neben Reis und Mais wichtigsten Grundnahrungsmittels Weizen zugekommen ist.
Der Vordere Orient, das Gebiet des sogenannten fruchtbaren Halbmondes, der sich vom Persischen Golf im Süden des heutigen Irak, über den Norden von Syrien, den Libanon, Israel, Palästina und Jordanien erstreckt, gilt allgemein als Wiege der Zivilisation.
Dort begann vor etwa 10.000 Jahren der Mensch, systematisch Getreide anzubauen. Ackerbau und Viehzucht machten aus den nomadisierenden Sammlern und Jägern, die sich von Fleisch und essbaren Pflanzenteilen ernährten, sesshafte Menschen. Feste Siedlungen und Gemeinwesen größeren Ausmaßes konnten so entstehen: erste Städte. Und diese zusehends arbeitsteilige und durch Handelsbeziehungen mit anderen Regionen verbundenen Gesellschaften, entwickelten sich in teils friedlichen teils kriegerischen Prozessen zu immer größeren politischen Gebilden: Reiche und Staaten traten auf den geschichtlichen Plan.
Diese kulturellen Anfänge, aufs engste mit Getreide und dem aus Getreide gewonnenen Brot verbunden, setzen sich nahtlos bis in unsere Tage fort. In unserem Kulturkreis existiert kein anderes Nahrungsmittel, das wir jeden Tag so ausgiebig verzehren und so vielseitig zubereiten wie Getreide. Schon im "Vater unser" ist die Urbitte des Menschen verewigt: "Unser tägliches Brot gib uns heute."
Kultur versus Natur
Getreide, das auf unseren Feldern wächst und gedeiht ist bereits seit Jahrtausenden keine natürliche Pflanze mehr, sondern ein durch menschliche Auslese ständig verändertes Süßgras. Die Frage liegt nahe, warum sich der Mensch von Anfang an in die Abläufe der Natur eingemischt hat.
Die Antwort scheint banal und sie scheint ein tiefsitzendes Gefühl vieler Konsumenten zu verletzen: Nur durch Jahrtausende währende Kreuzung und Züchtung vielversprechender Sorten konnte der Mensch das Korn gewinnbringend anbauen und die Ernteerträge stetig steigern. Nur in Kultur genommene Natur kann so die stetig wachsende Weltbevölkerung ernähren.
Moderne Getreidesorten gehen auf bewusste Selektion, aber auch auf spontan und natürlich auftretende Mutationen zurück. Letztlich aber bleiben auch Hochleistungssorten modernen Zuschnitts genetisch gesehen uralte Kulturpflanzen. Das primäre Zuchtziel hat sich seit den züchterischen Anfängen nicht verändert. Es heißt: Ertragssteigerung.
Durch Züchtung und Kreuzung nimmt also der Mensch seit Tausenden von Jahren Einfluss auf den Wuchs der Getreidearten. Dazu gehört, möglichst große, möglichst viele Körner zu züchten, die sich als möglichst resistent gegen Klimaschwankungen, Krankheiten und Schädlinge erweisen.
So besitzt jede Hochkultur ihren ganz eigenen, an die jeweilige Region angepassten Getreideanbau. Die Reiskultur in Asien, die Maiskultur Südamerikas, die Hirsekultur in Afrika, die Weizenkultur in unserer Weltgegend.