Ökologische Aspekte vom Ei
Gentechnikfreies Soja aus Europa
Legehennenhalter dürften in Österreich gentechnisch verändertes Soja aus Übersee füttern. Sie tun das aber nicht mehr, weil sich die heimische Eierbranche 2010 auf gentechnikfreie Fütterung geeinigt hat. Sie geht jedoch noch einen Schritt weiter auf den für dieses Thema längst sensibilisierten Konsumenten zu, indem sie auf Soja aus der Donauregion setzt und damit hilft, die Überseeimporte zu vermindern. Immerhin 40.000 bis 50.000 Tonnen Soja (Extraktionsschrot, Sojakuchen, Sojabohne) werden an Österreichs Legehennen pro Jahr verfüttert. Stelle ich jede zehnte Österreicherin auf die Waage, dann ergibt das in etwa dasselbe Gewicht. Seither finden sich auf jeder heimischen Frischeipackung die Siegel der ARGE Gentechnik-frei ebenso wie die des Vereins Donausoja. Letzterer steht laut seiner Webseite dafür, dass “Soja-LandwirtInnen sich an die EU-Pflanzenschutzrichtlinien und die EU Arbeits- und Sozialrechte halten und kein Land kultivieren, welches nicht bereits vor dem 1. Januar 2008 als landwirtschaftliche Fläche genutzt wurde.” Damit sollen ebenjene ökologischen Aspekte, deren Fehlen in der Sojaproduktion in Übersee seit vielen Jahren bemängelt wird, berücksichtigt werden.
Züchtung auf Hochleistung
Weltweit sind es vorrangig Legehühner aus dem Zuchtkonzern Lohmann, die den gigantischen Appetit von uns Menschen auf Eier stillen. Lohmann ist ein Tochterunternehmen der niedersächsischen Wesjohann Gruppe, hat seinen Sitz in Cuxhaven und agiert weltweit. Die große Masse der über zwei Milliarden Eier, die Herr und Frau Österreicher im Jahr konsumieren, wird von diesen Hochleistungstieren gelegt. So genannte Hybridlinien, die Namen wie “Lohmann Brown”, “Lohmann Sandy” oder LSL (Lohmann selected Leghorn) tragen. Sie sind es, die aufgrund von strenger Selektionszucht im Laufe ihrer ungefähr einjährigen Legezeit beinahe täglich ein Ei legen. Weltmarktführer Lohmann Tierzucht beschreibt die Züchtung auf Land schafft Leben-Anfrage als “Balanced Breeding” und meint damit eine ausgeglichene Züchtung zwischen Leistung und Tierwohl. Die wichtigsten Zuchtziele seien “Eiqualität, Legeleistung, Eigewicht, Tierwohl und Verhalten”.
Diese Hochleistungszucht ist wie immer ein Grenzgang, der von Tierschutzorganisationen mitunter in die Nähe der “Qualzucht” gerückt wird. Michael Zoklits, Geschäftsführer der Gesellschaft Zukunft Tierwohl, dazu im Filminterview: “Vor Jahren gab es auch bei Hennen Tendenzen Richtung Qualzucht. Sie wurden immer leichter gemacht, um weniger Futter zu brauchen.” Dadurch seien Probleme wieder aufgetaucht, die man eigentlich gelöst hatte, wie zum Beispiel Kannibalismus, weil der Stoffwechsel dieser Hennen überfordert war. Zoklits sagt aber, die Züchtung habe darauf reagiert: “Heute hat man eine mittelschwere bis schwere Henne, die relativ stabil ist. Die Genetik ist derzeit vollkommen in Ordnung.”
Es geht auch ohne Käfige
Was den österreichischen Konsumierenden ganz normal erscheint, dass sie im Supermarkt keine Frischeier aus Käfighaltung vorfinden, ist global gesehen alles andere als normal. 2004 beschloss der Nationalrat die Käfighaltung zu verbieten - ein weltweites Novum. Michael Wurzer, Geschäftsführer der Geflügelwirtschaft Österreich, der die Situation in vielen großen Produktionsländern unter die Lupe genommen hat, geht davon aus, dass global immer noch etwa 90 Prozent aller Legehühner in Käfigen gehalten werden. Das österreichische Erfolgsbeispiel hat zumindest in einigen EU-Ländern Nachahmer gefunden, allerdings bei weitem nicht flächendeckend. Dass das heimische Experiment glücken konnte, ist auf intensive und aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit aller an der Wertschöpfungskette Beteiligten zurückzuführen. Branchenvertreter, Futtermittelhersteller, Legehennenenhalter und der Handel mussten hier an einem Strang ziehen. Vor allem aber waren und sind es letztlich die Konsumierenden, die die höheren Preise für entschieden verbessertes Tierwohl akzeptiert haben. Allerdings fehlt diesen bis heute das Bewusstsein dafür, dass sie zwar im Frischeibereich keine Käfigeier mehr kaufen, sehr wohl aber im großen Bereich der Verarbeitung und im Außer-Haus-Konsum.
> Käfighaltung weltweit noch weit verbreitet
> Oft unklare Herkunft im Außer-Haus-Konsum und bei verarbeiteten Produkten
Es geht auch ohne Schnabel kupieren
Die international weit verbreitete Praxis des so genannten Schnabelkupierens soll die Folgen des in der Legehennenhaltung gefürchteten Federpickens minimieren helfen, das bis zum Kannibalismus reichen kann. Dabei wird bereits den Küken routinemäßig die Spitze ihres Schnabels entweder mit einer heißen Klinge abgeschnitten oder mit einem Laserstrahl verödet. Dieser Umstand wird seit jeher von Tierschützern als rein vorbeugende Symptombehandlung kritisiert. Außerdem handle es sich um einen schmerzhaften Eingriff an einem wichtigen Tastorgan für die Tiere. Die Ursache des Federpickens, die in den Haltungsbedingungen, in der Züchtung, Fütterung und letztlich im Stallmanagement vermutet werden, blieben dabei unbehandelt. Wie bei der Abschaffung der Käfighaltung geht Österreichs Eierbranche hier erfolgreich einen alternativen Weg, wie uns Knut Niebuhr, Geflügelexperte und Forscher an der Vetmeduni Wien im Filminterview erklärt. Die entscheidenden Faktoren wie Stress, Unterversorgung mit wichtigen Nahrungskomponenten, Stallklima, Licht- und Luftqualität müssten zusammenkommen, damit man, wie in Österreich, auf das Kupieren verzichten und das Problem des Federpickens trotzdem in zumutbaren Grenzen halten könne.
Töten oder Mästen männlicher Küken
Noch schlüpft aus jedem zweiten Ei, das für die spätere Eierproduktion ausgebrütet wird, ein männliches Küken. Dieses wird weder Eier legen noch eignet es sich aufgrund seiner Genetik für die Mast, also dafür schnell und viel Fleisch anzusetzen: Die als „Bruderhahn“ bekannte Mast männlicher Legehühner dauert zumindest doppelt so lang wie jene eines Masthuhns, außerdem benötigen die „Bruderhähne“ doppelt so viel Futter. Allein in Österreich gibt es daher jährlich mehrere Millionen männliche Küken, die nicht benötigt werden. Dieser Umstand stößt seit vielen Jahren bei Tierschützern und zusehends mehr Konsumenten auf heftige Kritik. Züchter und die heimische Branche reagieren auf diesen Druck und arbeiten an der Früherkennung des Geschlechts im Ei. In wenigen Jahren, davon gehen Branchenkenner aus, sei man hier so weit und könne damit das Problem mit den männlichen Küken technisch lösen. Dann werden sie gar nicht erst ausgebrütet. Wobei bereits jetzt einige Tierschutzverbände die Frage erheben, ob und ab wann man nicht auch bei ungeschlüpften Küken von “Töten” sprechen müsse.
Sobald die entsprechenden technischen Rahmenbedingungen gegeben sind, soll die frühzeitige Geschlechtserkennung jedenfalls angewandt werden. Das ist eine der drei Säulen, auf die sich die heimische Geflügelbranche im Rahmen einer Branchenlösung geeinigt hat. Die anderen beiden Säulen besagen, dass männliche Küken aufgezogen oder verfüttert werden müssen. Seit 2022 darf nach dieser „Drei Säulen-Strategie“ also kein Küken mehr grundlos getötet werden.
Die Biobranche hat sich bereits 2016 dazu bekannt, jedes männliche Küken aufzuziehen.
Der “Bruderhahn”: Ein Meilenstein oder eine Zwischenlösung mit Ablaufdatum?
Das Mästen der Bruderhähne bei Bio-Eiern wird von Tierschutzvereinen wie Vier Pfoten, die an der Umsetzung des Projektes mitgearbeitet haben, als Meilenstein begrüßt, der international für Aufsehen sorgte. Der sensibilisierte Bio-Eier-Konsument könne jetzt mit noch besserem Gewissen zum Bio-Ei greifen, weil er weiß, dass der “Bruder seiner Legehenne” nicht als Eintagsküken getötet wird. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die die Aktion als “Alibilösung” mit Ablaufdatum sehen. Einerseits wird kritisiert, dass dem Konsumenten ein geschöntes Bio-Bild unter Verwendung von Phantasienamen für die Bio-Eier verkauft wird. Als setze Bio neuerdings wieder auf ein Zweinutzungshuhn alten Schlages. Dabei wird bei Bio ebenso ein Hochleistungs-Legehuhn Namens “Lohmann Sandy” oder “Lohmann Brown” verwendet. Letztere Rasse finden wir auch in der konventionellen Legehennenhaltung. Da diese Hochleistungshybride ausschließlich auf Legeleistung, und nicht auf Fleischansatz gezüchtet wurden, eignen sich Sandy’s oder Lohmann Brown’s Brüder zur Zweitnutzung als Fleischlieferant prinzipiell nicht. Und weil hier ach bis zehn Wochen hochwertiges Biofutter an kaum masttaugliche Tiere verfüttert wird, sprechen Kritiker von Ressourcenverschwendung. Manfred Söllradl, Geschäftsführer der größten heimischen Bio-Brüterei und Mastermind der Bruderhahn-Branchenlösung hingegen spricht lieber von hochwertigem Bio-Fleisch, das leben durfte und das auch mit seiner Fleischqualität überzeugen könne.
Freilandhaltung hat nicht nur Vorteile
In der Freilandhaltung wird das Auslaufareal oft nicht voll genutzt, wie uns Tierschutz-Experte Michael Zoklits im Filminterview mitteilt. Er sieht darin die eigentliche Herausforderung für diese Form der Haltung. Zwar werden rechnerisch jedem Tier acht (in Bio sogar 10) Quadratmeter zugemessen, aufgrund der instinktiven Angst der Hennen vor Raubtieren halten sie sich aber lieber im Nahebereich des Stalles auf. Vor allem dann, wenn der Freilandbereich zu wenig schützende Elemente wie Bäume, Sträucher oder sonstige Unterstände aufweist. Außerdem fehlen in aller Regel Hähne, die dem instinktiven Schutzbedürfnis der Hennen entgegen kommen würden. Das alles hat häufig zur Folge, dass sich in der Nähe der Ausgänge zu viele Tiere befinden, deren Exkremente dort zu Problemen mit Parasiten führen. Zudem steigt im stallnahen Bereich des Auslaufs der Nitrateintrag in die Böden und der Grasbewuchs bleibt nicht lange erhalten. Knut Niebuhr, Geflügelexperte der Vet-Med-Uni Wien verweist in diesem Zusammenhang auf sinnvolle Beschränkungen der Legehennen-Bestandszahlen wie sie in Bio vorgeschrieben sind. Aber auch in vielen nicht biologisch zertifizierten Freilandbetrieben, die am Programm “Tierschutz geprüft” teilnehmen. Anders als im benachbarten Deutschland etwa, wo es weder in Freiland- noch in Bio-Haltung Größenbeschränkungen pro Stall gibt. Einen wirklich nutzbaren Auslauf auf Grünflächen ohne unerwünschten Parasitendruck und Nitrateintrag können am besten Mobilställe gewährleisten, deren Größe per se begrenzt ist.
> Hühner im “Wohnwagen” - die Idee der mobilen Ställe