Kulturelle Aspekte vom Ei
Das Ei in Mythos, Religion und Volkskultur
Nicht erst in der christlich-jüdischen Kultur kam dem Ei hohe Symbolkraft zu. Kein anderes Lebensmittel steht derart für Fruchtbarkeit, für Erneuerung und Wiedergeburt. Rund ums Ei haben sich zahlreiche Bräuche und religiöse Riten gebildet. In vielen Mythen steht das Ei für die anfängliche Schöpfung. Das “Ei des Kolumbus” steht sprichwörtlich für kreative Problemlösungen, die tatkräftig umgesetzt werden, während die Menschheit wohl noch eine schöne Zeit lang über dem “Henne-Ei-Problem” brüten wird.
Das bunte Osterei bringt der Osterhase
Innerhalb der christlichen österlichen Mysterien steht das Ei symbolisch für die Auferstehung Christi, die Wiederkehr aus dem “Reich der Toten”. Wie ein Küken die Schale durchbricht, die es von Licht und Leben trennt, so strebt auch der gläubige Christ nach dem Vorbild Jesu und dank des “Österlichen Heilsversprechens” zum “Licht der Erlösung” und zum “Ewigen Leben”.
Diese christliche Symbolik überlagert dabei ältere heidnische Frühlings- und Fruchtbarkeitsriten und vermischt sich mit ihnen. So kommt es auch, dass der Hase, dessen sprichwörtliche Fruchtbarkeit als Resultat seiner Rammelspiele am offenen Feld gerade um die Osterzeit für jeden ersichtlich ist, schon früh mit dem Ei und dem österlichen Geschehen verbunden wurde.
Hinzu kommt: In Byzanz war der Hase in der Tiersymbolik ein Symbol für Christus. Auch in der Mythologie existiert der Hase als Zeichen der Fruchtbarkeit: Sowohl der griechischen Liebesgöttin Aphrodite als auch der germanischen Frühlings- und Fruchtbarkeitsgöttin Ostera ist ein Hase als heiliges Tier zugeordnet. Weil die Häsin bereits Föten in sich trägt, während sie nochmals befruchtet wird und somit zwei unterschiedliche Würfe gleichzeitig in sich tragen kann.
Aus weltlicher Sicht galt der Gründonnerstag als Abgabe- und Zinstermin für Schuldner an die Gläubiger. Überliefert ist, dass die Schuldner mit Eiern und Hasen zahlten und dass der Schuldner bei Begleichung der Schulden ein freier Mann ist, der mit einem Hasen verglichen wurde, der nicht vom Hund gehetzt wird.
Diesem weltlichen “Ablass” (“Antlass”) also der Tilgung von Schulden einem Gutsherren oder anderen Gläubigern gegenüber stand der geistliche Ablass zur Seite, das heißt die “Vergebung” geistlicher Schuld, der angesammelten “Sündenlast”. (Vergleiche “Antlassei”)
Auch die Terminierung des Osterfestes lässt eine Verbindung zum Hasen zu. Das Osterfest wird am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert, der Hase gilt als Mondtier.
Im deutschsprachigen Raum gibt es den Osterhasen erst ab dem späten 17. Jahrhundert. Der Heidelberger Biologe Georg Franck von Franckenau legt 1682 von diesem sich allmählich ausbreitenden “Volksglauben” erstmals schriftliches Zeugnis ab. Endgültig zum weltweiten “Star” aber machte den Osterhasen erst die Schokoladenindustrie.
Seit wann genau und warum Ostereier gefärbt werden - darüber kursieren verschiedene Theorien. Bis heute dominiert jedenfalls die rote Farbe, wie uns auch Alexandra Poringer, Geschäftsführerin von Poringer Frischei im Filminterview bestätigt. Das Innviertler Familienunternehmen färbt österreichische Eier das ganze Jahr über, wobei die Nachfrage zu Ostern natürlich ein Mehrfaches des Jahresschnittes beträgt.
Die Farbe Rot wird seit jeher mit dem österlichen Opfer-Blut Christi in Verbindung gebracht. Dass man Eier zu Ostern überhaupt färbt, könnte aber auch einen ganz einfachen Grund gehabt haben. Dem Christenmenschen des Mittelalters war in der Fastenzeit neben Fleisch auch der Genuss von Eiern untersagt. Da Hühner aber trotzdem ihre Eier legten und der Kühlschrank noch nicht erfunden war, wurden diese gekocht oder eingelegt, um länger haltbar zu sein und bis zum Ende der Fastenzeit aufbewahrt. Damit es zu keiner Verwechslung mit den frischen Eiern kommt, wurden die “konservierten” rot eingefärbt und zuerst verspeist.
Das “Karfreitags-” oder “Antlassei”
Der Begriff „Antlassei“ kommt vom Wort „Ablass“. Jene, die den Kirchenstrafen verfallen waren, mussten in der Fastenzeit schwere Buße tun. Am „Antlasspfingsta“, dem „Ablass-Donnerstag“ (= Gründonnerstag), wurden sie von ihren Sünden losgesprochen und wieder in die Kirchengemeinde aufgenommen.
Hühnereier, die am Gründonnerstag, Karfreitag oder Karsamstag gelegt werden, stattet der Volksglaube in einigen alpinen Regionen seit Jahrhunderten mit magischen Kräften aus. Der Brauch geht zurück auf die Zeit, als die Bauern am Gründonnerstag ihren Grundherren Steuern in Form von Eiern bezahlen mussten. "Antlasseier" (von Ablass), so nannte man sie, wurden und werden in bestimmten Regionen rot gefärbt, als Hinweis auf das Blut Christi, das von Schuld freispricht. Die Sünden waren getilgt. Antlasseier werden mit einem D (für Donnerstag) gekennzeichnet. Diese am Gründonnerstag gelegten Eier wurden/werden aufgehoben für die Speisenweihe (Speisensegnung). Die Kennzeichnung ist von Ortschaft zu Ortschaft unterschiedlich. In anderen Regionen wurden und werden auch Eiern, die an den auf Gründonnerstag folgenden Heiligen Tagen, dem Karfreitag und -samstag gelegt werden, besondere Kräfte zugesprochen. So sollen Antlass- bzw. Karfreitags- und -samstagseier vor Naturkatastrophen, Feuersbrünsten und anderem Unglück schützen, darüber hinaus gelten sie auch als Heil- und Glücksbringer.
In der Region Ennstal des steirischen Bezirks Liezen lebt bis heute der Brauch, ein Antlassei in ein tragendes Element eines Gebäudes einzubauen. Dies soll das Gebäude vor allem vor Blitz- und Steinschlag sowie Lawinen- und Murenabgängen schützen. Das Museum Schloss Trautenfels im Ennstal zeigt einen Holzbalken aus dem 17. Jahrhundert, in den ein Antlassei eingearbeitet ist. Das Ei ist sichtlich unversehrt. Wolfgang Otte, Stellvertretender Leiter in Trautenfels, weiß von verbürgten Fällen zu berichten, wo Häuser bzw. Almhütten mit eingebautem Antlassei, Naturkatastrophen entgangen sind, während benachbarte Gebäude weniger Glück hatten. Weit verbreitet sei heute auch das Mitführen von Antlasseiern in Autos. Wer sich selbst und seinem Körper besonderen Schutz angedeihen lassen will, so Otte, der verspeist kurzerhand das Antlassei. Besonders Holzarbeiter oder jene, die mit Hacken und Sägen tätig waren, aßen traditionellerweise ein Antlassei um vor dem "sich Hacken" geschützt zu sein.