Sorten und Züchtung
Wie in der modernen Landwirtschaft üblich liegt die Züchtung in der Hand weniger internationaler Unternehmen. Österreichs Baumschulen beziehen das Pflanzmaterial zu einem großen Teil aus den Niederlanden. Würden sie selbst vermehren, wären die Bäume für den professionellen Anbau nicht zu gebrauchen. Würde man einfach einen Apfelkern in die Erde legen, würde zwar ein Baum wachsen, dieser wäre aber nicht für den professionellen Anbau geeignet. Grund dafür ist das Mendelsche Gesetz, das die komplizierten Zusammenhänge in der Vererbungslehre beschreibt.
Die Orte, an denen die in Österreich am meisten angebauten Sorten entdeckt oder gezüchtet wurden, sind über die ganze Welt verstreut, von den USA, über Mitteleuropa bis Japan, Australien und Neuseeland. Von den drei Sorten Golden Delicious, Jonathan und Cox stammen fast alle in Österreich wichtigen Äpfel ab. Eine Ausnahme bildet die Sorte Kronprinz Rudolf. Ein Steirer entdeckte sie im Jahr 1873 in seinem Obstgarten in Gleisdorf. Kronprinz Rudolf ist die einzige echte österreichische Sorte, die es bis in das Sortiment vieler Lebensmitteleinzelhändler schaffte.
Die EU-Bio-Verordnung schreibt zwar vor, dass biologisch erzeugtes Saatgut verwendet werden muss, eigene Bio-Sorten haben im Bio-Anbau keine Bedeutung. Bio-Äpfel sind auch Gala, Idared, Jonagold und weitere internationale Sorten. Für die großen Zuchtunternehmen hat die Züchtung für den kleinen Anteil an Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern weltweit keine Bedeutung. In der Steiermark gibt es ein Pilotprojekt, das 2015 10.000 Bäume einer Bio-Sorte gepflanzt hat. Ein niederländischer Züchter erzeugt eine noch weitgehend unbekannte Sorte, die er von Beginn nach Bio-Werten züchtet. Das Projekt hat erreicht, dass die gesamte Kette, von Züchterinnen und Züchtern über die Baumschule bis zu Bäuerinnen und Bauern, biologisch arbeitet.
Zwei Sorten werden in Österreich mit Abstand am meisten angebaut, Golden Delicious und Gala. Bei der Anzahl der Bäume kann Gala noch mithalten, die Geschichte vieler Sorten zeigt aber die wahre Vorherrschaft von Golden Delicious. Bei der Züchtung von Gala, Jonagold, Elstar, Pinova, Arlet und Fuji – die alle in den Top 10 zu finden sind – wurde Golden Delicious eingekreuzt.
Sortenkonzentration
“Der Apfel wurde zum Massenprodukt ohne Wertschätzung – ein Alltags-Lebensmittel ohne Genuss-Garantie”, heißt es im Magazin der Versuchsstation Obst- und Weinbau Haidegg. Im 20. Jahrhundert hat sich die Sortenvielfalt deutlich reduziert, parallel zur völligen Änderung der Absatzwege. Nicht viel mehr als zehn Sorten dominieren heute den Markt, obwohl es alleine in Österreich noch über 2.000 gibt.
Werner Schneider von der Baumschule Niederösterreich meint, dass die Apfelbäuerinnen und -bauern selbst die Sorten aussuchen würden. Diese müssten sich aber an den Wünschen des Lebensmitteleinzelhandels orientieren, und diese gingen von Konsumentinnen und Konsumenten aus. Somit entschieden letztere, welche Sorten angebaut würden. In den Regalen hat der Apfel Konkurrenz von vielen anderen Obstarten, längere Transportwege sind heute kein großes logistisches Problem. Dazu kommt, dass der Lebensmitteleinzelhandel auch ausländische Äpfel listet, besonders im Frühjahr und Sommer, wenn die österreichischen Äpfel schon mehrere Monate lagern. So ist der Platz für Äpfel in der Obstabteilung begrenzt, und nur die Sorten mit der meisten Nachfrage haben Platz.
Alte Sorten schmecken ungewohnt
Der Verein Arche Noah hat das Ziel, alte Sorten zu erhalten. David Brunmayr ist für den Obstbau zuständig. Er fasst die Anforderungen an Sorten zusammen: “Sie sollen jährlich tragen, einfach zu ernten und gut lager- und transportfähig sein.” Ansonsten könne man sie nicht in den Supermarkt bringen. “Geschmacklich darf man sich vom Konsumenten nicht zu viel erwarten. Das, was sie wollen, ist süß-aromatisch, knackig und saftig”, ergänzt er. Die Sorten im Supermarkt würden sich kaum voneinander unterscheiden. Alte Sorten hätten Geschmackseigenschaften, die Konsumentinnen und Konsumenten heutzutage nicht mehr zu schätzen wüssten. Bio-Bauer Fritz Prem erklärt, dass viele im Vergleich “extrem säuerlich” seien. “Seltene Sorten könnten im Supermarkt als Gag verkauft werden, die Konsumenten kaufen sie aber kein zweites Mal, wenn der Geschmack ungewohnt ist”, so Prem.
Verwendung in der Züchtung möglich
David Brunmayr von der Arche Noah erkennt “jetzt schon wieder eine Nachfrage nach alten Sorten.“ Und er weist auf einen weiteren Verwendungszweck hin: “Man könnte alte Sorten, die schon über Jahrzehnte Resistenzen gezeigt haben, vermehrt in die moderne Züchtung einbinden.” Die hohe Anfälligkeit auf Krankheiten sei das Problem der heute häufigsten Sorten. Brunmayr sagt: “Die Krankheiten waren in den vergangenen Jahrzehnten in der Züchtung kein Problem, weil man konnte ja eh Pflanzenschutzmittel spritzen.”
Auch zwischen den häufigsten Sorten gibt es Unterschiede in Geschmack, Aussehen und Verwendungsmöglichkeiten.
In Österreich am häufigsten angebaute Sorten
Sorte | Entdeckung oder Kreuzung | Herkunft | Züchtungs-/Entdeckungsjahr |
---|---|---|---|
Golden Delicious | als Zufallssämling entdeckt | USA | um 1890 |
Gala | Kidds Orange mit Golden Delicious | Neuseeland | 1934 |
Idared | Jonathan mit Wagenerapfel | USA | um 1935 |
Jonagold | Golden Delicious mit Jonathan | USA | 1934 |
Braeburn | Vermutlich aus der Sorte Lady Hamilton entstanden | Neuseeland | 1952 |
Elstar | Golden Delicious mit Ingrid Marie | Niederlande | 1955 |
Topaz | Rubin mit Vanda | Tschechien | 1984 |
Pinova | Golden Delicious mit Clivia | Deutschland | 1986 |
Arlet | Golden Delicious mit Idared | Schweiz | 1958 |
Fuji | Ralls Janet mit Golden Delicious | Japan | 1939 |
Kronprinz Rudolf | als Zufallssämling entstanden | Österreich | 1873 |
Granny Smith | als Zufallssämling entdeckt | Australien | 1868 |
Wie die Sorten aussehen, wie sie schmecken und wofür sie besonders geeignet sind:
> Geschmack und Verwendung
„Pink Lady“ ist eine so genannte Clubsorte. Eine begrenzte Zahl von Produzentinnen und Produzenten gehört einem „Club“ an und darf eine bestimmte Clubsorte unter Einhaltung bestimmter Kriterien produzieren. Meist ist die Sorte eigens gezüchtet. Name und Sorte sind rechtlich geschützt. Die Produzentinnen und Produzenten erhoffen sich durch die gezielte Vermarktung mehr Einnahmen, nicht zuletzt bedingt durch sinkende Apfelpreise. Als “Pink Lady” werden rosarote Äpfel der Sorte “Cripps Pink” vertrieben. Apfelbäuerinnen und Apfelbauern, die Cripps Pink anbauen, gibt es in Spanien, Frankreich und Italien, aber nicht in Österreich. Die Pink Lady Europe Gesellschaft hat Lizenzen bisher nur in diese drei Länder vergeben.
Raritäten
Sorten, die ganz anders aussehen, schmecken oder sich sonst deutlich von den häufigsten Sorten im Supermarkt unterscheiden, haben kaum eine Chance auf einen Platz im Regal. Nur wenige Konsumentinnen und Konsumenten würden sie kaufen, oder sie sind wegen ihrer schlechten Lagerfähigkeit nicht für den Handel geeignet.
Ein Beispiel für echte Raritäten sind die Renetten. Bekannt ist etwa die Graue Renette, der so genannte Lederapfel. Seine Oberfläche hat seine Namensgeber an Leder erinnert. Renetten entwickeln ihr starkes Aroma erst, wenn der Apfel bereits an äußerer Schönheit verloren hat. Erst wenn die Schale leicht schrumpelig und das Fruchtfleisch weich ist, schmecken Renetten am aromatischsten.
Sommeräpfel reifen im Sommer, während die letzten österreichischen Winteräpfel des Vorjahres aus den Lagern genommen werden. Trotzdem machen sie im Verkauf nur ein Prozent aus. Zu gering ist ihre Lagerfähigkeit. Laut dem Verein Arche Noah, der sich seltenen Sorten annimmt, werden die Sommeräpfel Piros und Summerred im Profianbau geerntet. Hobbygärtner kennen vielleicht den Weißen Klarapfel und die Sorte Gravensteiner.
Fast alle im Supermarkt erhältlichen Äpfel sind in der Regel Winteräpfel. Sie sind für die Vermarktung im großen Stil besser geeignet, weil sie besser lagerfähig sind.
Es gibt mehrere Möglichkeiten Äpfel einzuteilen, jene in Sommer- und Winteräpfeln ist eine davon.
Baumschule
Der Weg des Apfelbaumes beginnt schon vor der Baumschule. Die Bäuerin oder der Bauer sucht eine Sorte aus und bestellt die benötigte Menge bei der Baumschule. Die Vermehrung der häufigsten Sorten führen internationale Züchter durch. Österreichische Baumschulen beziehen die so genannten Reiser. Diese verbinden sie mit einem geeigneten Stamm, sie führen das Veredeln durch. Stamm und Reiser ergeben einen jungen Baum, der in der Baumschule heranwächst und später den Anforderungen des modernen Apfelanbaus gerecht wird.
Die Unterlage bestimmt, wie hoch und breit ein Baum später wird. Würde man den Samen eines Apfels aus dem Supermarkt in die Erde legen, würde mit etwas Glück ein Apfelbaum wachsen. Werner Schneider von der Baumschule Niederösterreich erklärt, warum die Bäuerinnen und Bauern dennoch ihre Bäume nicht selbst vermehren: “Die Bäume werden bis zu zehn Meter hoch, wären aber für die Ernte und Hagelnetze unpraktisch.”
Ein Baum bleibt zwei Jahre in der Baumschule. In seinen ersten beiden Jahren braucht der Apfelbaum besonders viele Pflanzenschutzmittel, auch chemisch-synthetische. Würde er bereits in dieser Zeit erkranken, hätte er keine Chance, in der Plantage Erträge zu liefern. Aus diesem Grund gibt es nur wenige Bio-Baumschulen. Pflanzen Bio-Bauern Bäume aus konventionellen Baumschulen, dürfen sie unter Umständen erst nach zwei Jahren Bio-Äpfel ernten.
Kommerziell genutzte Streuobstwiesen gibt es nur mehr selten. Fast alle Äpfel kommen heutzutage von Anlagen, die man als Plantagen bezeichnen kann. Die Bäume sehen eher aus wie Sträucher. Höhe und Wuchsform sind für die Arbeiten am Baum optimiert. Ohne diese Anbauform wäre es für den Bäuerinnen und Bauern und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unmöglich, tausende Bäume zu pflegen und abertausende Äpfel zu ernten.
Arbeiten im Jahresverlauf
Die Erntezeit ist für Apfelbäuerinnen und Apfelbauern die arbeitsintensivste. Aber auch das restliche Jahr über reicht es nicht, den Bäumen einfach zuzusehen. Unzählige Arbeitsschritte sind notwendig, um im Herbst erfolgreich ernten zu können. Eine unverzichtbare Maßnahme ist etwa der Winterschnitt. Jene Triebe, die weniger Ertrag versprechen, werden entfernt. Dadurch haben die verbleibenden Triebe eine bessere Versorgung mit Nährstoffen durch den Baum und mehr Sonnenlicht.
Einen ähnlichen Effekt sollen die Blüten- und Fruchtausdünnung haben. Durch diese Maßnahmen wachsen weniger Äpfel am Baum und erhalten mehr Nährstoffe. Bio Austria empfiehlt seinen Mitgliedern, noch mehr als konventionelle Bauern auszudünnen, um noch mehr Sonnenlicht pro Apfel zu haben. Beim Pflanzenschutz und Düngen ist wichtig, genau festzustellen, wann welcher Baum welche Methode bei welchem Wetter benötigt. Fast alle Arbeiten im Jahresverlauf führen die Bäuerinnen und Bauer sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter händisch durch.