Ablauf der Ernte
Winteräpfel werden im Herbst geerntet. Kommt der erwartete Erntezeitpunkt näher, nimmt die Bäuerin oder der Bauer einzelne Äpfel vom Baum. Um festzustellen, ob der Apfel schon reif ist, gibt es mehrere Möglichkeiten. Die Farbe des Apfels gibt Auskunft über dessen Reife. Wenn die Grundfarbe aufgehellt ist, könnte der Apfel schon reif sein. Zusätzlich gibt es Tests mit Hilfsmitteln.
Die Bäuerin oder der Bauer kann zum Beispiel den Apfel in der Hälfte durchschneiden, ihn mit einer Jod-Kalium-Lösung einstreichen und so mithilfe der Farbveränderung den Reifegrad erkennen. Außerdem gibt es spezielle Geräte, die den Zuckerwert messen. Dazu presst man Tropfen aus dem Apfel und das Gerät erkennt, wie süß der Apfel schon ist. “Der entscheidende Test,” betont Apfelbauer Thomas Nestelberger, “ist und bleibt der Biss in den Apfel. Nur wenn der Apfel den vollen Geschmack hat, wird er geerntet.”
Ergeben die Tests, dass die Äpfel in einer Anlage reif genug sind, steht der Ernte nichts mehr im Weg. Früher haben viele Bäuerinnen und Bauern auf einer Anlage nur einen Erntedurchgang gemacht. Heute ist es üblich, zwei- bis viermal pro Anlage zu ernten und immer jene Äpfel zu nehmen, die schon die optimale Reife haben. Dazu ist es notwendig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders zu schulen. Sie müssen bei jedem einzelnen Apfel entscheiden, ob sie ihn gleich abnehmen oder erst bei einem der späteren Erntedurchgänge.
Erntehelferinnen und Erntehelfer
Nicht nur, aber besonders zur Erntezeit sind auch auf Familienbetrieben zahlreiche zusätzliche Arbeitskräfte anzutreffen. Viele von ihnen haben von ihrer Heimat bis zur Apfelbäuerin oder dem Apfelbauern tausende Kilometer zurückgelegt. Ein Großteil kommt aus Osteuropa.
Apfelbauer Walter Schiefermüller erzählt uns, dass etwa drei Viertel der Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter Jahr für Jahr wieder kommen. Manche kämen schon seit 20 Jahren zu ihm. “Das ist ganz wichtig, denn die Schulung der Mitarbeiter ist aufwändig”, so Schiefermüller.
Österreicherinnen und Österreicher sind laut Schiefermüller kaum bereit, für ein paar Wochen bei jedem Wetter in der Apfelernte zu arbeiten. Für die Arbeitskräfte mit weiter Anreise sind die Apfelbäuerinnen und Apfelbauern nicht nur Arbeitgeber, sie geben ihnen auch Unterkunft und Verpflegung. Die Löhne sind im internationalen Vergleich sehr hoch, das legt das österreichische Gesetz fest. Laut Walter Schiefermüller kostet die Arbeitsstunde einer Erntehelferin oder eines Erntehelfers einen österreichischen Apfelbauern 12 Euro. Er schätzt, dass sie in östlichen EU-Ländern nur zwei bis vier Euro kostet. Der WSI-Mindestlohndatenbank zufolge haben alle EU-Mitglieder in Osteuropa einen branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn von unter 2,50 Euro pro Stunde.
Auch für Arbeitskräfte aus Drittstaaten fallen in Österreich Kosten für Sozialversicherung und Pensionsversicherung an. Da laut Walter Schiefermüller die Personalkosten mit 50 Prozent der gesamten Produktionskosten zu Buche schlagen, ergebe sich hier für heimische Bäuerinnen und Bauern ein enormer Wettbewerbsnachteil gegenüber ausländischen Großproduzenten.
Auch Personal aus dem EU-Ausland und aus Drittstaaten darf nicht unter dem Mindestlohn bezahlt werden. Der Aufwand bei der Anstellung von Arbeiterinnen und Arbeitern aus Drittstaaten wie der Ukraine ist ungleich höher. Die bürokratischen Anforderungen sind nicht unkompliziert. Um legal in Österreich arbeiten zu dürfen, brauchen ausländische Arbeitskräfte eine Beschäftigungsbewilligung. Diese erhalten sie aber nur, wenn sie schon einen Aufenthaltstitel haben, also die Berechtigung, in Österreich sein zu dürfen. Um einen Aufenthaltstitel zu bekommen, braucht die Ausländerin oder der Ausländer eine Sicherungsbescheinigung vom AMS. Das AMS muss bestätigen, dass er oder sie eine Beschäftigungsbewilligung erhalten kann. Diese können solche Arbeitskräfte nur erhalten, wenn das AMS bestätigt, dass sie keiner Österreicherin und keinem Österreicher oder anderen Ausländerinnen und Ausländern in Österreich einen Arbeitsplatz wegnehmen.
Die Apfelbäuerin und der Apfelbauer müssen Anfang des Jahres bekannt geben, wie viele Saisonarbeitskräfte sie insgesamt brauchen. Es gibt ein Kontingent für Personal aus Drittstaaten in Österreich, das auch anderen Branchen wie der Gastronomie zur Verfügung steht. Walter Schiefermüller sagt, es sei ihm bis jetzt immer gelungen, die notwendigen Genehmigungen zu bekommen.
Ernteausfälle durch Wetterextreme
Das falsche Wetter zur falschen Jahreszeit kann bereits Monate vor der Ernte einen Teil dieser vernichten. Dass durch ein für die jeweilige Jahreszeit völlig untypisches Wetter Bäuerinnen und Bauern ihre gesamte Ernte verlieren können, hat ein Wintereinbruch Ende April 2016 gezeigt. Hagelnetze hielten dem nassen Schnee nicht stand, die Minusgrade zerstörten Blüten und entstehende Äpfel. In der Steiermark wurde der Ernteausfall auf 80 Prozent geschätzt, auch in anderen Anbauländern wie Südtirol und Polen sorgte der Wintereinbruch Ende April für massive Schäden.
Qualitätskriterien und Geschmack
“Das Aroma steckt woanders. Das wird auch derzeit nicht bezahlt”, fasst Apfelbauer Walter Schiefermüller das Problem zusammen. Die Handelsklassen wurden geschaffen, um für den Handel weltweit einheitliche Qualitätskriterien zu haben. Über sie wird der Preis bestimmt. “Fehler”, die entscheiden, ob ein Apfel schön genug für Handelsklasse 1 ist und wieviel er im Handel wert ist, sind etwa Schalenfehler oder ein optisch nicht einwandfreies Fruchtfleisch. Die Schale kann etwa Druckstellen haben und das Fruchtfleisch braune Flecken, um den Apfel in Handelsklasse 2 einzuordnen.
“Ob der Apfel einen Schalenfehler hat oder nicht, hat auf das Aroma keinen Einfluss”, kritisiert Schiefermüller. Maßnahmen wie eine reife Ernte würden im Preis nicht belohnt. Das bringe einen Vorteil für Ware, die für weite Transportwege unreif geerntet wird.
Noch größeres Problem bei Bio
Im Bio-Anbau ist das Problem noch größer. Wegen dem Verbot chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel haben biologisch erzeugte Äpfel öfter äußere Fehler. Bio-Bauer Fritz Prem nimmt einen Apfel mit Schalenfehler vom Baum: “Der Apfel ist gleich gut, hat gleich viel Zucker und schmeckt mindestens genauso gut.” Die Bewertung nach den Kriterien der Handelsklassen habe vor etwa 30 Jahren begonnen. Er bestätigt, dass es sogar Pflanzenschutzmittel gibt, die hauptsächlich für das perfekte Aussehen des Apfels eingesetzt werden. Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern dürfen die chemisch-synthetischen Mittel für keinen Zweck verwenden.
Auch äußere Merkmale aussagekräftig
Michael Fellner, Zentraleinkäufer beim Lebensmitteleinzelhändler Hofer, spricht jene äußeren Qualitätsmerkmale an, die auf den Geschmack schließen lassen. Dazu gehöre bei diversen Sorten die Intensität der Farbe Rot. Sie könne einen besseren Geschmack bedeuten. Aber auch eine sortentypische Größe und Form sei wichtig. “Ein geschulter Apfel-Fachmann kann mit dem Auge schon erkennen, ob es ein guter Apfel (im Geschmack, Anm.) ist”, so Fellner.
Lebensmitteleinzelhandel selektiert streng
Konsumentinnen und Konsumenten haben es da schon schwerer. Daher sei es eine Aufgabe des Lebensmitteleinzelhandels, nur beste Qualität zum Kauf anzubieten. Deshalb gebe es besonders strenge Vorgaben an die Lieferanten in Sachen Qualität. Diese werde beim Wareneingang von geschultem Personal stichprobenartig kontrolliert. Fellner spricht in diesem Zusammenhang den österreichischen Apfelproduzenten ein großes Lob aus. Die geforderte Qualität passe annähernd zu 100 Prozent.