Lager des Lebensmitteleinzelhandels

lager leh | © Land schafft Leben, 2016

Österreichs Hühnerschlachthöfe produzieren fast ausschließlich Frischfleisch und mariniertes Frischfleisch. Am frühen Morgen kommt das Fleisch in den Zentrallagern des Lebensmitteleinzelhandels an. Die Mitarbeiter kontrollieren Stückzahl und Fleischtemperatur. Noch am selben Tag stellen sie die Bestellungen der einzelnen Filialen zusammen. Zwei Tage nachdem das Huhn den Stall verlassen hat und geschlachtet wurde, liegt es als Fleischprodukt im Supermarkt. 

Hühner- und Putenfleisch haben den größten Anteil in Österreichs Supermärkten. 76 Prozent der gekauften Menge an Geflügelfleisch ist Hühnerfleisch. 

Das Problem mit den Teilen

Jedes Huhn hat eine Brust, zwei Flügel und zwei Keulen. Da nicht alle Teile gleich beliebt sind, müssen sie die Verarbeitungsbetriebe zu unterschiedlichen Kilopreisen verkaufen. Für heftige Kritik sorgt die Vorgehensweise von großen europäischen Schlachthöfen. Sie verkaufen zum Teil Keulen an afrikanische Händler. Die unter anderem durch Subventionen niedrigen Preise der europäischen Ware zerstören den afrikanischen Markt. Österreichs Produktionsmengen würden für derartige Vorgehensweisen gar nicht ausreichen, wie wir aus der Branche hören. Exporte gehen zum Großteil ins EU-Ausland.

Die Haushalte werden immer kleiner und so geht der Trend in Richtung Hühnerteile. Ganze Hühner werden tendenziell weniger gekauft. Besonders beliebt ist bei den Konsumenten und in der Gastronomie das Brustfleisch. Laut der RollAMA, der laufenden Marktanalyse der AMA Marketing, kaufen die Österreicher im Lebensmitteleinzelhandel jedes Jahr weniger ganze Hühner und mehr Brustfilets. Brustfleisch und Keulen machen schon fast drei Viertel des gesamten Verkaufswertes im Lebensmitteleinzelhandel aus. Brustfleisch alleine macht bei steigender Tendenz knapp 46 Prozent aus.

Herausforderung für Verarbeiter

Karl Feichtinger, Geschäftsführer der Wech Geflügel GmbH, sieht einen klaren Trend: “Es geht mehr Richtung Schnitzel und Filet.” Das stellt die Verarbeitungsbetriebe vor ein Problem. Sie müssen neue Produkte und Konzepte entwickeln, um alle Teile des Huhns zu verkaufen. Die Keulen liefern Schlachthöfe zum Teil an österreichische Hersteller von Kebapspießen.

Österreich “zu klein” zum Zerstören fremder Märkte

Auf die Frage, ob Hühnerteile aus seinem Betrieb nach Afrika verkauft werden, sagt Karl Feichtinger: “Das hört man zum Teil, dass gewisse Betriebe da Schwierigkeiten haben und nach weiter weg verkaufen.” Die Verarbeiter haben laut Feichtinger das Problem nicht, weil sie danach streben würden, “möglichst alle Teile vom Huhn” zu verkaufen. Bestellungen von nur einem Teil der Hühner würden grundsätzlich nicht angenommen. Vertreter der Branche geben an, dass die österreichische Produktion zu klein sei, um ausländische Märkte zu zerstören.

Am Verkaufswert hat Brustfleisch im Jahr 2023 einen Anteil von 46 Prozent, ganze und halbe Hühner 20 Prozent. 2012 hatten ganze und halbe Hühner noch einen Anteil von 26,7 Prozent. Sogar die unbeliebteren Keulen haben mit 28 Prozent einen höheren Anteil am Verkaufswert im Lebensmitteleinzelhandel als ganze und halbe Hühner. 

Bio-Huhn sieht anders aus

© Land schafft Leben, 2016

Im Regal können Konsumenten schon am Aussehen des Fleisches erkennen, ob es aus biologischer oder konventioneller Landwirtschaft ist. Konventionelle Hühner bekommen in Österreich mehr Mais und sind daher gelblicher. Auch im Preis ist naturgemäß ein Unterschied erkennbar. Bio-Hühner haben länger gelebt, sie hatten mehr Platz und Auslauf, haben mehr Futter und zu mindestens 95 Prozent Bio-Futter gefressen. Diese und weitere Faktoren machen Bio-Hühnerfleisch pro Kilogramm teurer. Die Nachfrage nach Bio steigt. Derzeit macht es fünf Prozent der österreichischen Produktion aus, wobei viele Bio-Hühner nach Deutschland exportiert werden.

Anonymer Markt bei Fertigprodukten und in der Gastronomie

Wenn die Herkunft angegeben ist, kaufen die Österreicher bevorzugt heimisches Hühnerfleisch. Bei verarbeiteten und Fertigprodukten sowie in der Gastonomie, bei der Außer-Haus- und Gemeinschaftsverpflegung ist eine Kennzeichnung nicht vorgeschrieben. Insgesamt versorgt sich Österreich zu 86 Prozent selbst mit Hühnerfleisch.

“Wir brauchen eine bessere Kennzeichnung für unsere Produkte”, sagt Robert Wieser, ehemaliger Obmann der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Geflügelwirtschaft. In der Eröffnungsrede beim Ökosozialen Forum in Hatzendorf sprach er ein zentrales Problem der Branche an. “Wir müssen das österreichische Tierschutzgesetz einhalten, aber uns mit den Preisen der ausländischen Produzenten messen”, so Wieser. Das sei vor allem in jenen Bereichen ein Problem, in denen der Konsument Fleisch ohne Herkunftsangabe bekomme.

Gastronomie gegen Kennzeichnungspflicht

Ein Teil der österreichischen Gastronomen setzt auf heimische Ware. Jene, die primär auf den Preis achten, kaufen Hühnerfleisch aus Ländern, die billiger produzieren können. Klaus Friedl von der Wirtschaftskammer Steiermark meint beim Ökosozialen Forum, die Herkunft von Geflügel sei für Gastronomen und Gäste “schon wichtig”. Er betont aber, dass die Gastronomen gegen eine verpflichtende Kennzeichnung der Herkunft sind. Nach den Nichtraucherregelungen und der Allergene-Verordnung sei eine weitere Hürde für die Wirte nicht akzeptabel.

Kaufgründe der Konsumenten

Einer RollAMA-Umfrage aus dem Jahr 2016 zufolge ist für fast 90 Prozent der Konsumenten beim Kauf von Hühnerfleisch frisches Aussehen wichtig. Mehr als drei Viertel geben als Kaufkriterium Haltbarkeitsdatum, hygienische Verpackung und die Sauberkeit im Regal oder an der Theke an. Etwa die Hälfte der Konsumenten gibt an, auf Packungsgröße, Herkunft und den Preis zu achten. Für etwa ein Drittel ist ein Gütezeichen und biologische Landwirtschaft wichtig. Weniger als 20 Prozent achten beim Kauf von Geflügelfleisch auf Marke und Fettgehalt. 

> BLOG: "Und gib uns unser täglich Fleisch..." Teil 3: Huhn im Aufwind, Pute im Sturzflug?