Hühnerfleischkonsum “verbindet” Kulturen?
Der Hühnerfleischkonsum steigt weltweit. Das hängt auch damit zusammen, dass Geflügelfleisch von keiner der großen Weltreligionen (sieht man vom nach strenger Auslegung vegetarisch orientierten Buddhismus ab) unter Tabu gestellt wird. Muslime und Juden essen kein Schwein und Hindus ist die Kuh bekanntlich “heilig”. Gerade in Zeiten großen demographischen Wandels und nicht immer friktionsfreier kultureller Begegnungen könnte der Kulinarik eine gewisse Bedeutung zukommen. Die heimische Geflügelbranche reagiert etwa mit speziellen Angeboten für diese stark wachsende Zielgruppe (halal geschlachtetes Fleisch zum Beispiel). Umgekehrt findet die Branche in der Döner-Kebab-Gastronomie einen willkommenen Großabnehmer insbesondere für am Inlandsmarkt und der heimischen Gastronomie weniger beliebte Teile des Huhns wie der Keule.
Als weniger verbindend, vielmehr als problematisch bis zerstörerisch, stehen großangelegte Billigexporte massiv in Kritik, welche große Mengen von in Europa nicht verwertbaren Schlachtteilen in afrikanische Länder ausführen. Vertreter der heimischen Geflügelbranche versichern dabei gleichlautend, dass Österreich aufgrund der vergleichsweise geringen Produktionsmenge gar nicht erst in Versuchung gerate, sich an diesen Dumping-Aktionen mit fatalen Folgen für die landwirtschaftliche Produktion in diesen Ländern zu beteiligen.
Das zerlegte Huhn als DAS Convenience-Produkt
Ein ganzes Huhn als Sonntagsbraten oder als Grillklassiker gerät zusehends ins Hintertreffen gegenüber so genannten Convenience-Produkten, welche vorzugsweise aus den Brustanteilen des Huhns fast essfertig zubereitet werden. Auch hier macht sich eine große gesellschaftliche Veränderung in Ess- und Kochgewohnheiten bemerkbar. Single- und Kleinhaushalte sind heute längst in der Überzahl und das gemeinsam eingenommene Mahl im großen Familienkreis die Ausnahme. Ein ganzes Huhn scheint daher große Teile der Konsumentenschaft zu überfordern. Ernährungspsychologen konstatieren darüber hinaus eine weit verbreitete Aversion gegenüber Fleisch, welches noch an das geschlachtete Tier erinnert. Die Verfremdung gegenüber den Vorgängen innerhalb der Verfertigung eines Lebensmittels, etwa der Schlachtung von Tieren, mache es weiten Teilen der urbanen Konsumenten mehr und mehr “unmöglich”, sich damit zu konfrontieren. Steril verpacktes und handlich zerkleinertes, von allen optisch erkennbaren Auswirkungen der Produktionsschritte gereinigtes Fleisch, habe es in dieser Hinsicht viel leichter. Auch aus diesem Grund sei die Brust, zerlegt oder gar appetitlich in ein fast essfertiges Convenienceprodukt verpackt, Teilen wie der Keule, welche immer auch Knochen aufweisen, überlegen. Ins Große gerechnet ergibt das für eine Branche, welche nun einmal ganze Hühner aufziehen, schlachten und vermarkten muss kein geringes Problem. Gerade die Keule, von allen Gourmets als das wesentlich schmackhaftere Teil geschätzt, sei zusehends schwieriger zu vermarkten.
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