Rassen und Linien
Ob ein Huhn zum Eier legen oder zum Mästen gehalten wird, ist bereits lange vor dem Schlüpfen bestimmt. Seit den 1950er- und 60er-Jahren gibt es eigene Legehennen- und Masthuhnrassen. Die einen werden gezüchtet, um viele Eier zu legen, die anderen um schnell Fleisch anzulegen. Neben einem mehrtägigen Mastküken wirkt ein gleichaltriges Legehennen-Küken klein und schmächtig.
Im Unterschied zu den Brüdern von konventionellen Legehennen werden männliche Mastküken nicht sofort nach dem Schlüpfen getötet, sondern mit den weiblichen Küken aufgezogen. Alle bedeutenden Rassen - auch in der biologischen Mast - sind Hybridrassen oder wissenschaftlich korrekt “Linien”. Würde der Bauer die Hühner selbst vermehren, hätten ihre Nachkommen nicht gewünschte Fleischleistung. Die Großeltern und weiteren Vorfahren der Mastküken müssen beim Züchter stehen. Dieser züchtet in einem aufwändigen Verfahren jene Elterntiere, die Eier legen, aus denen optimierte Mastküken schlüpfen.
Konzentration bei Züchtung und Rassen
Österreichs konventionelle Hühnermäster setzen auf eine einzige Rasse. Tierschutzorganisationen kritisieren die schnelle Gewichtszunahme und die gesundheitlichen Folgen für die Hühner. Das Zuchtunternehmen selbst betont, dass gesundheitliche Aspekte zu den Hauptzielen in der Züchtung zählen. Mäster zeigen sich mit dem Zustand ihrer Tiere zufrieden und die Schlachthöfe kontrollieren, ob die Hühner zu Lebzeiten gesund waren.
“Ross 308” heißen die Masthühner, die auf Österreichs konventionellen Bauernhöfen aufwachsen. Das internationale Zuchtunternehmen Aviagen züchtet Masthühner und -puten und verkauft diese in 130 Länder. Das Unternehmen ist im Besitz der EW Group mit Sitz in Niedersachsen. Für “Ross 308” gibt es ein 132-seitiges Handbuch. Es beschreibt, was der Bauer füttern soll, welche Stalleinrichtung die Tiere brauchen, wie sie gesund bleiben und wie man sie einfängt. “Extreme Konzentration ist nie gut”, sagt Hanna Zedlacher von Vier Pfoten. Sie gibt zu bedenken, dass Konsumenten und Akteure der Landwirtschaft selbst in internationale Zuchtunternehmen keinen Einblick mehr haben. Viele würden nicht wissen, dass in Österreich alle konventionellen Masthühner von einem Züchter kommen. Ein möglicher Vorteil der Konzentration sei, dass Änderungen der weltweiten Zuchtziele schneller umsetzbar wären.
“Qualzucht” oder Fokus auf Gesundheit?
Das Zuchtunternehmen Aviagen gibt auf Anfrage von Land schafft Leben drei Hauptziele der Züchtung an. Je ein Drittel würden “Gesundheit und Wohlergehen”, “Mastleistung und Umweltauswirkung” und ein Drittel “Robustheit und Fruchtbarkeit” ausmachen. Tierschutzorganisationen weisen auf gesundheitliche Probleme durch die schnelle Gewichtszunahme hin. “Die Masthühner wurden darauf gezüchtet, möglichst schnell viel Fleisch anzusetzen, besonders im Brustbereich, weil dieser so beliebt ist”, sagt Hanna Zedlacher von Vier Pfoten. Ihr Gangbild erinnere “eher an Enten als an Hühner.” Die genetische Veranlagung der Hühner führt laut Zedlacher so weit, dass sich die Tiere am Ende der Mast kaum mehr bewegen. Laut Dr. Michael Hess, Forscher an der Veterinärmedizinische Universität Wien, ist es in der Züchtung “ein schmaler Grad” zwischen Wachstum und Tiergesundheit. Prinzipiell hätte der Züchter “ein Interesse daran, dass die Tiere nicht krank sind.” Dr. Hess sagt: “Durch das Wachstum ist das Skelett- und Kreislaufsystem besonders gefordert. Das sind Dinge, die bei so schnell wachsenden Tieren, wie wir sie in der Hühnermast haben, besonders gefordert sind.” Laut der ehemaligen QGV-Obfrau Martina Glatzl sei schnelleres Wachstum nicht mehr das einzige Zuchtziel. “Die Genetik geht auch in Richtung robusterer Tiere, die auch gegen gewisse Krankheiten Resistenzen zeigen”, so Glatzl.
Schlachthöfe kontrollieren Gesundheit
Die Schlachthöfe geben in Verträgen mit den Mästern vor, welche Rasse sie verwenden müssen. Mit langsam wachsenderen Rassen würden sich die Produktionszyklen verlangsamen und die Tiere weniger Ertrag und weniger vom begehrten Brustfleisch liefern. Hühnerfleisch wäre dann nicht zum derzeitigen Preis produzierbar. Bei der Schlachtung wird kontrolliert, ob die Hühner Fußballenverletzungen, blaue Flecken oder Knochenbrüche aufweisen. Wenn solche Verletzungen auftreten, beanstandet sie der Schlachthof beim Mäster.
Auch Bio verwendet Hybridrasse
Bio-Bauern setzen zum Großteil auf eine Rasse, deren Hühner weniger als 40 Gramm pro Tag zunehmen und als langsam wachsende Rasse anerkannt ist. Auch sie wird von einem internationalen Unternehmen gezüchtet. Österreichische Bio-Mäster beziehen Hühner, die von Hubbard gezüchtet wurden. Hubbard ist im Besitz des französischen Tierzuchtunternehmens Group Grimaud. Zwei Linien des Typs “JA” kommen für die erwerbsmäßige Bio-Mast in Österreich in Frage, eine braune und eine weiße. Bio-Bäurin Johanna Steiner sieht klare Vorteile im langsameren Wachstum: “Die Knochen können besser nachkommen.” Auch auf den Geschmack habe es Auswirkung: “Ich finde, dass das Fleisch dadurch besser wird.”
Regionale Rassen als Spezialitäten
Rassen, die nicht für den Weltmarkt gezüchtet werden, können bei der Futterverwertung auch nicht mit der Bio-Rasse von Hubbard mithalten. Martina Glatzl, ehemalige Obfrau des Anerkannten Geflügelgesundheitsdienstes, meint: “Das sind Haustierrassen und Liebhabertiere, die an eine konventionelle Produktion nicht herankommen.” Das Sulmtaler Huhn ist zum Beispiel eine Zweinutzungsrasse, eine regionale Spezialität und wird in Freilandhaltung aufgezogen.
> BLOG: “Wiederbelebung” der Zweinutzungsrasse Sulmtaler Huhn
Sein Lebensweg führt ein Mastküken durch vier Betriebe, ein konventionelles genauso wie ein Bio-Küken. Die Eltern jedes Kükens kommen als Küken vom Züchter zu einem Elterntieraufzuchtbetrieb in Österreich oder einem Nachbarland. Ein Elterntierbetrieb produziert das Ei, aus dem später das Mastküken schlüpft. Das frisch gelegte Ei wird zu einer Brüterei gebracht. Noch am Tag, an dem das Mastküken aus dem Ei schlüpft, kommt es zum Mastbetrieb in Österreich. Der letzte Weg führt das Küken zum Schlachthof oder - in Ausnahmefällen - zur hauseigenen Schlachtstelle.
Impfung und Fütterung der Elterntiere
Die Gesundheit der Elterntiere ist für die Gesundheit der Mastküken entscheidend. Ein sensibler Umgang mit den Elterntieren und mehr Impfungen sind schon aus diesem Grund notwendig. Antibiotika bekommen auch die Elterntiere nicht vorbeugend. Eine Tierschutzorganisation kritisiert, dass die Tiere - würde man sie lassen - viel mehr fressen würden, weil ihre Rasse auf eine schnelle Gewichtszunahme schon vor der Geschlechtsreife ausgelegt ist.
In Österreich gibt es 95 Elterntierbetriebe. Hennen und Hähne leben zusammen in einer Halle und dürfen sich paaren. Nach der Novelle der 1. Tierhaltungsverordnung 2017 dürfen pro Quadratmeter 30 Kilo Elterntiere stehen. In der Mitte des Stalles befindet sich ein Legenest, in das die Hennen die Eier legen. Die Legeleistung nimmt mit dem Alter der Tiere ab. Zu Beginn legt die Henne noch jeden Tag ein Ei, nach gut einem Jahr nur mehr jeden zweiten. Dann wird die Elterntierherde geschlachtet und zu Suppenhühnern verarbeitet.
Vorbeugende Impfungen
“Man impft wie bei den Menschen vorbeugend”, erklärt Martina Glatzl, ehemalige Obfrau des Anerkannten Geflügelgesundheitsdienstes. “In der Aufzucht werden die Tiere schon mit sehr vielen Impfstoffen konfrontiert. Sie bilden Antikörper aus und geben diese an die Masttiere weiter”, so Glatzl. Medikamente, zum Beispiel Antibiotika, bekommen die Hühner nie vorbeugend und nur im Krankheitsfall verabreicht. Um Infektionsrisiken zu vermeiden, werden selbst Bio-Elterntiere nicht auf die grüne Wiese gelassen. Die Ausfallsquote liegt in Elterntierbetrieben kaum über der eines Mastbetriebes, obwohl eine Elterntierherde wesentlich länger lebt. Laut Elterntierhalter Josef Stachel verenden in seinem Betrieb drei bis sechs Prozent der Hennen und Hähne. In einem Mastbetrieb fallen laut Glatzl im Schnitt zwei bis drei Prozent aus.
Weniger Futter wegen Züchtung
Laut der Webseite von Vier Pfoten ist der Appetit der Tiere das größte Problem in der Elterntierhaltung. Ihre Rasse wurde so gezüchtet, dass die Tiere innerhalb von einem Monat bis zur Schlachtreife heranwachsen. Elterntiere sollten aber über ein Jahr alt werden. Vier Pfoten meint, dass sie deswegen Hunger leiden müssten: “Die Tiere erhalten gerade einmal 40 Prozent oder weniger der Futtermenge, die sie bei freiem Futterzugang zu sich nehmen würden.” Der “chronische Hunger” würde zu Verhaltensstörungen führen. Josef Stachel, ein Bauer, der Elterntiere hält, meint, mit einer guten Beobachtung der Tiere könnte er ein Hungerleiden vermeiden. Besonders Hähne würden nach einem Hungern in den ersten Wochen schon vor einem Jahr verenden. “Man muss die Tiere am Anfang viel wiegen und beobachten, damit sie die Vier-Kilo-Grenze nicht wesentlich überschreiten. Nachher muss man sie ordentlich füttern, damit sie nicht Hunger leiden”, erklärt Stachel. Zu viel Futter würde aber die gewünschte sexuelle Aktivität, vor allem der Hähne, herabsetzen.
Eine Brüterei wie Skreinig in Kärnten produziert 200.000 bis 300.000 Küken pro Woche. Im Vergleich zu Nachbarländern sind das wenige. Laut Gerhard Skreinig produzieren dort Brüterein drei bis fünf Millionen pro Woche. Nur durch Transparenz sei es möglich, gegen die Konkurrenz aus dem Ausland zu bestehen.
Die Brüterei bestellt eine bestimmte Menge an Eiern von Elterntierbetrieben. In der Brüterei werden die Eier desinfiziert und kommen in den Brutschrank. Dort liegen sie drei Wochen bei 37 Grad Celsius. Schlüpfen müssen die Küken wie in der Natur selbst. In der Brüterei werden sie noch einer Qualitätskontrolle unterzogen und in Kisten verpackt. Der Transport zur Mästerin dauert in Österreich nicht viel länger als vier Stunden. Von Beginn an sind männliche und weibliche Tiere gemischt, wie später beim Mäster und im Schlachthof. Für Bio gibt es eigene Brütereien.
Aussortieren in der Brüterei
Von fünf Brütereien im Inland und einigen weiteren im Ausland beziehen Österreichs Hühnermäster die Eintagesküken. Bilder von Küken, die aussortiert werden oder über Förderbänder und Rutschen Richtung Kisten und LKW gelangen, haben schon zu so mancher Kritik an den Brütereien geführt.
Die deutsche Albert-Schweitzer-Stiftung hat den Umgang mit Küken in der Brüterei thematisiert. In einem Video auf der Webseite der Münchner Tierschutzorganisation heißt es: “Einige Küken eignen sich nicht für die Mast und eine tierärztliche Versorgung kommt für die Tierindustrie schon aus Kostengründen nicht in Frage.”
Vergleich mit natürlicher Ausfallsquote
Brütereien erklären, dass auch bei Wildvögeln ein Teil der Küken die ersten Stunden und Tage nach dem Schlüpfen nicht überlebt. Laut Brüterei-Unternehmer Gerhard Skreinig liegt die Ausfallsquote im Promillebereich. “Es ist einfach ein gewisser Promillesatz an nicht tauglichen Küken dabei.” Gründe sind der Qualitätsanspruch und die Gefahr, dass kranke Küken gesunde anstecken könnten.
Impfung vor der Auslieferung
Küken, die in jene Kisten kommen, die für die Auslieferung zum Kunden bestimmt sind, werden geimpft. Krankheiten wie infektiöser Bronchitis und Schnupfen wird so vorgebeugt. Gerhard Skreinig erklärt, durch die Impfung könnte man Behandlungen mit Medikamenten beim Mäster vermeiden.
Futter
Die moderne Züchtung ermöglicht in der konventionellen Mast eine Futterverwertung von 1:1,6. Ein Huhn der Marke “Ross 308” muss nicht einmal 1,6 Kilogramm Futter aufpicken, um ein Kilogramm an Gewicht zuzulegen. Auf Anfrage von Land schafft Leben gibt das Zuchtunternehmen Aviagen an, die Futterverwertung kontinuierlich verbessern zu wollen, aber “in Balance mit anderen wichtigen Eigenschaften”. Hanna Zedlacher von Vier Pfoten gibt zu bedenken, dass Fleischkonsum generell nicht effizient ist, “egal wie gut die Futterverwertung von Ross 308 ist.”
Bio-Hühner müssen übrigens 2,1 bis 2,2 Kilo Futter fressen, um ein Kilo zuzulegen. Sie kommen damit an die Futterverwertungsraten von konventionellen nicht heran und werden erst mit dem etwa doppelten Alter geschlachtet.
Hauptbestandteile des Futters
Mais macht mindestens 50 Prozent des Masthuhnfutters aus. Österreichische Konsumentinnen und Konsumenten greifen bevorzugt zu eher gelbem Hühnerfleisch. Dieses wird durch Mais gelb. Das trifft sich gut, weil Mais vorwiegend in Österreich angebaut wird. Wie hoch der Anteil von österreichischem Futter ist, hängt vom heimischen Ernteerfolg ab.
Die Vorfahren der heutigen Masthühner waren keine Vegetarier. Auch kleine Tiere wie Würmer, Insekten und Larven verschwanden in ihren Schnäbeln. Seit der BSE-Krise im Jahr 2000 darf Tiermehl, das als Schlachtabfall anfällt, nicht mehr an Tiere verfüttert werden. Rein rechtlich ist der Einsatz von Tiermehl aus Schweinen möglich, dieser wird allerdings in der Praxis derzeit noch nicht umgesetzt. Wie andere Branchen mussten die Hühnerfleischproduzenten nach einer anderen Eiweißquelle suchen. Sie fanden diese vor allem in Soja. Es macht heute rund 20 Prozent des Futters aus. Da es zum Großteil aus Südamerika importiert wird, steht Soja in der Kritik, selbst wenn es gentechnikfrei ist.
Das Futter wird in speziellen Futtermittel-Betrieben gemischt und zu kleinen Pellets gepresst. Die Hühnermäster kaufen das fertige Futter zu, viele liefern gleichzeitig die Ernte ihrer Äcker an Futtermühlen. Die Pellets enthalten alles, was ein Masthuhn braucht. Weitere Futterbestandteile sind Getreide sowie Abfälle aus der Speiseölproduktion, Salze, Kalke, Viehsalz, Vitamine, Spurenelemente und Enzyme zur Verbesserung der Verdaulichkeit. In konventioneller Haltung bekommen Hühner neben natürlichem Eiweiß synthetische Aminosäuren. Diese werden chemisch hergestellt und sollen jene Aminosäuren ergänzen, die von Natur aus Eiweißbestandteile sind.
Während der Mast bekommen die Tiere nicht immer das gleiche zu fressen. Es gibt drei Futterphasen. Die Küken bekommen sehr kleine Pellets, die älteren Hühner größere. Auch die Zusammensetzung des Futters ändert sich. Küken brauchen noch mehr Eiweiß, ältere Tiere mehr Stärke.
Mist als Dünger
Mist, den die Masthühner ausscheiden, bringen die Bauern auf die Felder aus oder verkaufen ihn an andere Bauern. Dem Boden werden durch Ackerbau Nährstoffe entzogen. Der Hühnermist gibt ihm diese zurück. Im Gegenzug beziehen die Mäster etwa Stroh. Manche Bauern liefern ihre Ernte an das Futterwerk, von dem sie die Futtermittel beziehen. So können Kreisläufe entstehen. Zur Einhaltung der Richtlinie für sachgerechte Düngung muss der Nährstoffgehalt von Stickstoff, Phosphat und Kalium pro Tonne Hühnermist angegeben werden.
> HINTERGRÜNDE: Weg der Nährstoffe