Soziale Nachhaltigkeit im internationalen Vergleich

paradeiser ernte | © Land schafft Leben, 2016

Die Tomate ist eine arbeitsintensive Kultur. Während der ganzjährig notwendigen Kulturarbeiten wie dem Einsetzen der Jungpflanzen in die Erde oder das Substrat, dem Ausgeizen von Wassertrieben, dem Aufdrehen der Pflanze oder dem Tieferhängen sowie den häufigen Erntegängen sind deshalb eine Vielzahl an ausländischen und - wenngleich deutlich weniger - auch heimische Arbeiterinnen und Arbeiter in österreichischen Glashäusern und Folientunneln im Einsatz. Peter Kainz, der zusammen mit Thomas Mayer im Marchfeld ein großes Glashaus betreibt, spricht von 100 Angestellten für die Endausbaustufe ihrer Anlage, welche 2016 erreicht wurde. Die meisten davon haben ganzjährige Anstellungen. Die arbeits- und sozialrechtlichen Auflagen liegen dabei im internationalen Spitzenfeld. Damit ist gewährleistet, dass eine hohe Qualität der Ernte nicht zu Lasten von unterbezahlten Billiglohnarbeitern geht.

Der Wiener Gärtner Martin Merschl berichtet von nach österreichischen Maßstäben unzumutbaren Arbeitsbedingungen, welche er bei Exkursionen in Italien und Spanien vorgefunden habe. Am schlimmsten jedoch seien diese in Marokko gewesen. Obwohl Italien und Spanien als EU-Mitglieder grundsätzlich zur Einhaltung derselben sozialrechtlichen Mindeststandards verpflichtet wären, sei es ein offenes Geheimnis, dass die Praxis ein oft recht anderes Bild zeige. Es fehle offenbar am Kontrollwesen. Außerdem herrschten in den Südländern eben andere “Produktionsherausforderungen”, etwa im Sinne des hier vermehrt zum Einsatz kommenden Pflanzenschutzes. Dort herrschende Missstände sind wiederholt in österreichischen und deutschen Medien thematisiert worden.

Der Siegeszug der Ganzjahres-Tomate beruht auch auf fehlender kulinarischer Kultur

Cocktailtomaten | © Land schafft Leben

Österreichs beliebtestes Gemüse war das nicht immer. Und vor allem nicht - mehr oder weniger - das ganze Jahr über. In Ländern wie Italien oder Spanien mit einer weit längeren und ausdifferenzierteren kulinarischen Tradition der Tomate findet diese tausend und eine Anwendung in der Küche. Hierzulande landet die Tomate zumeist entweder im Salat oder auf dem Grill. Frische Kochtomaten finden eher selten in private und professionelle Kochtöpfe und Pfannen. In den Südländern hat jede Tomatensorte ihre eigene kulinarische Funktion und das Wissen darüber gilt als selbstverständlich. Die in Spanien und Italien lebenden Menschen würden sich vermutlich auch weigern außerhalb der Saison, welche in diesen Ländern freilich länger ist, nach ihren Maßstäben “geschmacklose” Tomaten zu verspeisen. Dieser fehlenden Kennerschaft und dem damit verbundenen Unwissen über die kulinarische Potenz der Tomate ist es wohl mit zu verdanken, dass sie sich in nördlicheren Breiten in weiten Teilen der Konsumentenschaft als Ganzjahres-Gemüse etablieren konnte.