Boden und Bodenfruchtbarkeit als wichtigstes “Kapital”
Die Karotte wird in Österreich nicht als Langzeitkultur, wie etwa der Apfel, produziert, sondern ist immer in eine sogenannte Fruchtfolge eingebunden. Dies ist wesentlich für den langfristigen Erhalt der Bodengesundheit und -fruchtbarkeit. Markus Bittner, der selbst unter anderem Karotten anbaut und Kollegen in Sachen Anbau professionell berät, spricht in diesem Zusammenhang von drei Säulen der Produktion.
- Gesunder Boden,
- Bodenbearbeitung und
- Fruchtfolge.
“Wenn der Landwirt hierbei Geschick beweist”, so Bittner, “dann wird er wenig Dünger und wenig Pflanzenschutz brauchen, um eine gute Ernte einzufahren.”
Eine breite (sprich mehrjährige, bei der Karotte typischerweise über 6 bis 7 Jahre gehende) Fruchtfolge hat sich im konventionellen Anbau im Marchfeld seit vielen Jahren etabliert. Eine Reaktion auf zu enge Fruchtfolgen im vergangenen Jahrhundert, unter denen der Boden gelitten hat (Rückgang des Humusgehalts etc.). Das Gegensteuern durch eine breiter angelegte Fruchtfolge hat im Laufe der Jahre nachweislich gewirkt. Dadurch konnte die Bodenfruchtbarkeit wieder stabilisiert und teilweise sogar verbessert werden, so Bittner weiter: “Im internationalen Vergleich intensiv genutzter Ackerbauregionen liegt man deshalb beim Humusgehalt sehr gut.”
Bewässerung und Nitrateintrag
Karottenanbau in Österreich benötigt flächendeckende Bewässerung. Vor allem im niederschlagsarmen Hauptanbaugebiet Marchfeld. Laut dem Geschäftsführer der ETG (Erzeugergenossenschaft Tiefkühlgemüse Marchfeld) Norbert Friedrich hat das Marchfeld dabei den Vorteil eines sehr stabilen und nachhaltigen Grundwasserkörpers im internationalen Vergleich. Das Wasserrecht ist überdies in Österreich strikt geregelt, ergänzt ETG-Obmann Robert Kriegl. Man muss eine entsprechende Nutzung alle paar Jahre aufs Neue behördlich beantragen.
Andere österreichische Karottenanbauregionen, wie etwa das Tiroler Inntal rund um die Landeshauptstadt, weisen mehr Niederschläge im Jahresverlauf auf, müssen aber nichtsdestotrotz zusätzlich bewässert werden. Auf die Grundwasser-Nitratproblematik im Zusammenhang mit dem Karottenanbau angesprochen, winkt Josef Keferböck von der Landwirtschaftskammer NÖ ab. Unerwünschte Nitrateinträge ergeben sich immer aus einer Überversorgung mit Stickstoff. Die Karotte muss jedoch nur minimal mit zusätzlichem Stickstoff gedüngt werden. Hier sind regional verschieden eher andere Kulturen mit höherem Stickstoffbedarf zu beobachten meint der Landwirtschaftskammer-Experte: “Ein umfangreiches Nitratmonitoring weist teilweise belastete Gebiete im Marchfeld aus”. Diese (Alt)Lasten gilt es durch entsprechende Maßnahmen im Düngemanagement abzubauen. Wobei der Karotte hier, wie schon oben erwähnt, eine eher untergeordnete Rolle zufällt, so Keferböck abschließend.
Pflanzenschutzmittel und -rückstände
“Pflanzenschutz beginnt nicht beim Pestizideinsatz” betont Markus Bittner, Anbauberater und Landwirt im Marchfeld. Der wichtigste Pflanzenschutz erfolgt demnach bereits vorbeugend durch das Einhalten einer breiten Fruchtfolge. Dadurch werden sogenannte bodenbürtige Krankheiten, welche ein und dieselbe Kultur auch in den Folgejahren schädigen würden, möglichst hintangehalten. Weitere Kulturmaßnahmen zum Pflanzenschutz erfolgen mechanisch durch Bodenbearbeitung oder etwa das Abflämmen von Unkraut. Aber ganz ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel kommt der konventionelle Karottenanbau nicht aus. Tierische, pflanzliche und pilzliche Schadorganismen bedrohen den Ernteerfolg. Vor allem gegen Insekten setzt man laut Bittner seit etwa 10 Jahren vermehrt auf tierische Fressfeinde (Nützlinge) anstelle von Insektiziden. “Wenn ich ein Insektizid spritze, erwische ich oft zuerst den Nützling, wie etwa den Marienkäfer” so der Fachmann. Marienkäfer sind ebenso effiziente Blattlauskiller wie entsprechende Pestizide. Man ist aus diesem Grund im Karottenanbau mehr und mehr von der Anwendung von Insektiziden weg gekommen. Als sehr hilfreich bezeichnet Bittner in diesem Zusammenhang die im Rahmen des ÖPUL (Österreichisches Programm für umweltgerechte Landwirtschaft) geförderten UBB-Flächen (Umweltgerechte und biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung), welche vor allem der Nützlingspopulation als natürliches Habitat dienen.
> HINTERGRÜNDE: Chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel
ÖPUL-Maßnahmen am Beispiel UBB-Flächen
Landwirte, welche an diesem (freiwilligen) Förderprogramm teilnehmen, das mit entsprechend gewidmeten EU-Fördergeldern cofinanziert wird, verpflichten sich 5 Prozent ihrer Ackerfläche mit einer Blühmischung zu begrünen. Eine große Zahl unterschiedlichster Insekten - darunter viele Nützlinge wie Schmetterlinge, Hummeln, Marienkäfer etc. - suchen diese Flächen ebenso gerne auf, wie sie vom Niederwild als Sichtschutz und Nahrungsgrundlage genutzt werden. Nicht zuletzt werden Bodenleben und -gesundheit dieser für fünf Jahre extensiv genutzten Grünflächen gefördert. Deshalb sind sie nach dieser Zeit wieder bestens als Ackerfläche geeignet. Markus Bittner betont auch den öffentlichkeitswirksamen Aspekt dieser Maßnahmen: Diese blühenden “Oasen” inmitten intensiv genutzter Ackerflächen springen schon vom Auto aus regelrecht ins Auge.
Rückstandsarme Karotte
Die Aussagen vonseiten der Landwirtschaft bezüglich des sparsamen Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln bei Karotten finden von anderer Seite her Unterstützung. Herbert Burtscher von Global 2000 verweist dabei auf eindeutige Ergebnisse im Rahmen eines Pestizidreduktionsprogrammes, welches die NGO mit einer Handelskette ausgearbeitet hat. Den entsprechenden Laboruntersuchungen zufolge hat die Karotte bei den Rückständen unter den Gemüsen die Nase vorne im positiven Sinn, weist also nur sehr geringe Rückstände auf.
Hoher Bio-Anteil
Zwar liegen uns zum Bio-Anteil im Karottenanbau leicht divergierende Angaben aus unterschiedlichen Quellen vor, einig sind sich diese aber darin, dass der Anteil hoch ist. Ca. 20 Prozent der Anbaufläche dürften demzufolge biologisch bewirtschaftet werden. Da Bio immer den Verzicht auf leichtlösliche mineralische Düngemittel und chemisch-synthetischen Pflanzenschutz bedeutet, spielen hier Alternativen dazu eine noch größere Rolle als im konventionellen Bereich. Insbesondere die sogenannte Gründüngung, organischer Dünger (etwa Stallmist) und Kompost als Dünge-Alternativen sowie mechanischer bis hin zu händisch durchgeführter Pflanzenschutz kommen dabei zum Tragen, wie Günther Achleitner, Bio-Gemüsebauer und Unternehmer im Eferdinger Becken erklärt. Entsprechend erhöht sich der zeitliche und personelle Arbeitsaufwand in der biologischen Produktion. Belohnt werden diese Anstrengungen mit höher erzielbaren Erzeugerpreisen für die Karotte, mit Rückstandsfreiheit für den Konsumenten sowie einem laut Achleitner auf lange Sicht deutlich besseren Humusgehalt der Böden.
Ressourcenverbrauch aufgrund vermeidbarer Lebensmittelverluste
Viele angebaute und geerntete Karotten finden nicht den Weg zum Konsumenten. Vor allem deshalb, weil sie in Form und Größe nicht den Vermarktungskriterien entsprechen. Noch größere Mengen werden zwar vom Konsumenten gekauft, landen aber nicht in dessen Magen sondern im Müll. Dies hat neben den weiter unten ausgeführten ökonomischen Nachteilen auch ökologische Folgen, wie Raphael Fink von Global 2000 betont. Denn jede Karotte musste trotzdem gedüngt, mit Pflanzenschutz versehen sowie bewässert werden und wurde teilweise auch “umsonst” gelagert. All dies bedeute laut Fink “umsonst anfallende Treibhausgasemissionen, umsonst in Anspruch genommene Flächen, nicht effizient eingesetzte Energie” und sei deshalb sehr problematisch. Fink rechnet vor, dass der vermeidbare Verlust all dieser Ressourcen umso höher ist, je weiter die Karotte auf ihrem Weg zum Konsumenten bereits fortgeschritten ist. Am höchsten sind demnach die Ressourcenverluste, welche vom Konsumenten selbst verursacht werden, indem er gekaufte Karotten letztlich nicht verwertet sondern wegwirft. Leider ist dieser vom Endkonsumenten zu verantwortende Anteil an der Lebensmittelverschwendung zugleich der bei weitem höchste.
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