...zu Einlegegurken
Sehr kurze Transportwege in Eferding
In Österreichs größtem Gurkerl-Anbaugebiet gab es früher 200 Gurkerlbäuerinnen und Gurkerlbauern. Durch die fortschreitende Spezialisierung sind es heute deutlich weniger. Elf Bäuerinnen und Bauern bauen 2018 im Eferdinger Becken Gurkerl an. Da das Verarbeitungswerk in unmittelbarer Nähe der Felder gebaut wurde, sind die Transportwege vom Feld ins Einmachglas sehr kurz. Das ist wichtig, damit die Gurkerl knackig bleiben. Im Eferdinger Becken dauert es vom Abtrennen des Gurkerls von der Pflanze bis zum fertigen Einmachglas maximal 24 Stunden. 70 Prozent der Gurkerl kommen aus einem Umkreis von 15 Kilometern.
Im Eferdinger Becken herrscht ein Klima, das für die Gurkerl-Kultivierung sehr gut geeignet ist. Es ist etwas wärmer als in anderen Regionen, ein später Frost, der die jungen Gurkerlpflanzen zerstören könnte, unwahrscheinlicher. Die Donau hat die Böden in der Vergangenheit immer wieder überflutet, was zu guten Schwemmböden geführt hat. Das eine Gurkerlwerk im Burgenland wird von zwei bis drei Höfen beliefert, die sich auch in Oberösterreich befinden.
Insgesamt fallen im Gurkerlanbau 2.500 Arbeitsstunden pro Hektar an, 2.400 davon alleine für die Ernte. Im Vergleich braucht Getreide insgesamt fünf bis 15 Stunden Arbeitsaufwand pro Hektar, Salat 800 bis 900 Stunden.
Auch nur weibliche Pflanzen
Einlegegurken werden auch als “Gurkerl” bezeichnet. Sie stammen wie ihre Verwandten, die Salatgurken, ebenfalls nur von vorwiegend weiblich blühenden Pflanzen. Auch diese Pflanzen wären von Natur aus männlich und weiblich. Weil die Gurkerl keine Samen haben, kann man sie nicht vermehren.
Derzeit bezieht Österreich das Saatgut und damit die Genetik von zwei internationalen Zuchtfirmen, von Bayer in Deutschland und Rijk Zwaan in den Niederlanden. Rijk Zwaan hat 2.800 Angestellte und gehört zu den fünf größten Gemüsezüchtern der Welt. In Österreich gibt es keine Gurkerl-Züchtung. Extra für die heimischen Bäuerinnen und Bauern zu züchten, wäre zu aufwändig und nicht wirtschaftlich.
Ein Problem dabei ist, dass sich die internationalen Züchter auf Gurkerl mit warziger Oberfläche konzentrieren, da glattschalige Gurkerl nur in Österreich gefragt sind. Somit könnte es dazu kommen, dass auch die heimischen Bauernhöfe eines Tages warzige Gurkerlsorten verwenden müssen. Welche Sorten ausgewählt werden, entscheidet der Gurkerl-Verarbeiter gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern.
Die Zuchtziele spielen sich wie in allen Bereichen der Pflanzen- und Nutztierzüchtung gegeneinander aus. Züchtet eine Firma mehr auf gute Erträge, kann es sein, dass die Pflanze weniger resistent gegen Pilzkrankheiten wie den Falschen Mehltau ist. Genau das dürfte in den vergangenen Jahren so geschehen sein, denn die Gurkerlpflanzen tragen heute viele Gurkerl, sind aber kaum resistent gegen den Falschen Mehltau.
Anbau in Reihen mit Folien
Vor dem Anbau bearbeiten die Landwirte den Boden. Sie verlegen die Tröpfchenbewässerung und ziehen in Reihen 80 Zentimeter breite, schwarze Folien übers Feld. Sinn und Zweck der Folien ist, dass sich der Boden schneller erwärmt und kein Unkraut wachsen kann. Die Folie wird nach der Erntesaison vom Feld genommen und ordnungsgemäß entsorgt.
In regelmäßigen Abständen werden Löcher in die Folien gestochen und darin die Gurkerl-Jungpflanzen gesetzt. Man könnte zwar direkt Kerne in die Erde legen. Dann würden die Pflanzen aber nicht gleichzeitig durch die Erde kommen und sich ungleich entwickeln. Daher setzen die Gurkerlbäuerinnen und -bauern die Kerne zunächst in Töpfe, worin sie ihre Jungpflanzen selbst vorziehen. Nach dem Aussetzen der jungen Pflanzen überdecken sie die Pflanzen bei Bedarf zunächst mit einem Vlies, damit sie bei kalten Temperaturen nicht abfrieren. Schon wenn die Temperaturen auf minus zwei Grad sinken, werden die kleinen Pflänzchen beschädigt oder sterben gar ab. Passiert das, müssen neue Jungpflanzen gesetzt werden. Das kostet Zeit und Geld.
Wasser und Nährstoffe
Gurkerlpflanzen haben von März bis September einen Wasserbedarf von 550 Millimeter. Im Eferdinger Becken regnet es meist weniger. Um den hohen Wasserbedarf abzudecken, ist eine Bewässerung notwendig. Die Brunnen reichen in vier bis 20 Meter Tiefe und müssen von der Bezirkshauptmannschaft genehmigt werden. Unter den Folien verläuft ein Schlauch, der die Gurkerlpflanzen gezielt mit Wasser und Düngemitteln versorgt. Um zu wissen, wieviel Dünger der Boden braucht, machen Gurkerlbäuerinnen und -bauern im Jahr vor dem Anbau eine Bodenprobe.
> HINTERGRÜNDE: Weg der Nährstoffe
Schutz vor Schädlingen
In eher feuchten Gegenden wie dem Eferdinger Becken ist der bedeutendste Feind der sensiblen Gurkerlpflanzen der Falsche Mehltau. Er ist ein Pilz, der sich auf Pflanzen ausbreitet und die Blätter absterben lässt. In trockeneren Gebieten ist die Spinnmilbe das Hauptproblem. Das sind kleine Tierchen, die die Zellen der Gurkenpflanzen aussaugen. Auch größere Tiere können viel Schaden anrichten. Viele Bäuerinnen und Bauern schützen vor allem die kleinen, zweiblättrigen Jungpflänzchen unmittelbar nach deren Auspflanzung mit Zäunen gegen Rehe und Feldhasen.
Diese Anfälligkeit der Gurkerl vor allem gegen pilzliche Schaderreger ist der Hauptgrund, dass man im Supermarkt praktische keine Bio-Gurkerl findet. Was noch zu dieser Absenz des Bio-Gurkerls im Regal beiträgt und worin die Hoffnungen für einen baldigen Bio-Anbau bestehen:
> Kaum Bio bei Gurkerln - warum?
Ernte mit Flieger
Üblicherweise ernten die Bäuerinnen und Bauern im Hauptanbaugebiet Eferdinger Becken von Ende Juni bis Anfang September. 2018 hat die Ernte mit Anfang Juni sehr früh begonnen, wegen der frühsommerlichen Temperaturen im Frühling. Die Gurkerlpflanze blüht permanent und bildet ständig neue Gurkerl. Diese wachsen zwei bis drei Zentimeter am Tag. Sie dürfen aber auch nicht zu groß werden, daher wird alle drei bis vier Tage geerntet.
> Ohne Fremdarbeit keine Gurkerl für Herr und Frau Österreicher
> BLOG: Geht ernten helfen, liebe Österreicher!
Weil die Erntemaschine wie ein kleines Flugzeug aussieht, wird sie von allen Landwirten als “Gurkerlflieger” bezeichnet. Dieser ermöglicht den Erntehelferinnen und Erntehelfern, dass sie am Bauch liegend ernten können. Sich für jedes Gurkerl zu bücken, wäre unvorstellbar. Die Arbeit ist trotz Flieger eine Herausforderung, weil die Arbeitenden den Kopf hoch halten müssen.
Jede Gurkerbäuerin und jeder Gurkerlbauer braucht einen “Gurkerlflieger”. Pro Flieger werden 24 Erntehelferinnen und -helfer und einen Fahrer benötigt, dazu noch acht Personen, um abwechseln zu können. An Tagen ohne Gurkerlernte kommen sie meist in anderen Kulturen zum Einsatz. Die Arbeiterinnen und Arbeiter kommen zum Großteil aus Osteuropa. Sie brauchen eine geeignete Unterkunft und sollten im Optimalfall Erfahrung mitbringen. Für die bäuerlichen Familienbetriebe, die Österreichs Gurkerl erzeugen, bedeutet das eine große Investition, da ein Bauernhof manchmal 50 Personen gleichzeitig unterbringen muss. Viele Bäuerinnen und Bauern haben eingespielte Teams, die Jahr für Jahr zur Ernte nach Österreich kommen. Seit einigen Jahren werden auch Stellen für Asylwerberinnen und -werber ausgeschrieben. Österreicherinnen und Österreicher für den Job bei der Erntehilfe zu begeistern, gelingt nicht.
Ist die Gurkerlpflanze gut mit Nährstoffen wie Stickstoff versorgt, liefert sie gute Erträge. Umso besser, dass sie kaum Konkurrenten hat, denn durch die Folie kann in den Reihen zwischen den Gurkerlpflanzen kein Unkraut wachsen. Zwischen den Folien, wo die Erde frei liegt, wird maschinell gehackt oder ein Herbizid angewendet. Die Düngemittel werden über das Bewässerungssystem zugeführt und mit dem Traktor und Düngerstreuer ausgebracht. Die Bäuerinnen und Bauern verwenden Mineraldünger und keine tierischen Ausscheidungen. Letztere sind im Eferdinger Becken auch nicht vorhanden, weil es kaum Nutztiere gibt. Zudem könnten diese nicht über die Bewässerungsanlage zugeführt werden.
> HINTERGRÜNDE: Weg der Nährstoffe
Auf einem Feld sollten höchstens zweimal hintereinander Gurkerl angebaut werden, dann sechs bis sieben Jahre nicht. So wird vermieden, dass Krankheiten im Boden bleiben und auf die nächsten Gurkerlpflanzen warten. Um diese Fruchtfolge zu ermöglichen tun sich Gurkerl-Bäuerinnen und -Bauern mit Nicht-Gurkerl-Bäuerinnen und -Bauern zusammen und tauschen untereinander die Felder. Vor dem Gurkerl-Anbau werden üblicherweise Begrünungspflanzen angebaut, die den Winter über das Feld bedecken, aber nicht geerntet werden. Diese Pflanzen werden vor dem Gurkerlanbau in den Boden eingearbeitet. In der ersten Maiwoche werden die Gurkerlpflanzen gesetzt, dann laufend gedüngt, bewässert und gespritzt und dann beerntet. Nach dem letzten Erntedurchgang des Jahres werden die Gurkerlpflanzen eingearbeitet und andere Kulturen wie Mais oder Getreide angebaut.
Wie die Gurkerl ins Glas kommen
Wo in Österreich Einlegegurken verarbeitet werden, ist überschaubar. Die meisten Gurkerl kommen in Eferding ins Glas. Einen weiteren Verarbeiter gibt es im Burgenland. Früher gab es noch weitere Verarbeiter. Der größte ausländische Gurkerl-Lieferant kommt aus Deutschland.
Der Anhänger, in dem die Gurkerl ins Werk transportiert werden, hängt schon an der Erntemaschine “Gurkerlflieger” dran. Ist er voll oder der Erntedurchgang zu Ende, fährt er gleich zum Werk. Wärme oder eine Lagerung über viele Stunden würden die Gurkerl weniger knackig machen. Und zur Erntezeit ist es für gewöhnlich heiß.
Eine große Herausforderung bei der Verarbeitung von Einlegegurken ist, dass eine Lagerung der erntefrischen Gurkerl nicht möglich ist. Alle Gläser müssen im Erntezeitraum, der nur wenige Wochen dauert, abgefüllt werden. Das erfordert ein großes Lager, worin zuerst alle fertigen Gurkengläser gelagert und aus dem dann ein Jahr lang laufend Gurkerl entnommen werden. Das Ziel der Herstellerinnen und Hersteller ist, dieses Lager bis zur nächsten Erntesaison zu leeren, also alle Gurkerl innerhalb eines Jahres zu verkaufen. Das Werk sollte wenn möglich auch nicht das restliche Jahr leer stehen und unnötig Kosten verursachen. Außerhalb der Gurkerl-Erntezeit werden andere Arten von Einlegegemüse hergestellt.
Bei der Anlieferung werden die Gurkerl auf Pflanzenschutzmittelrückstände kontrolliert. Diese müssen unter dem gesetzlichen Höchstwert liegen. Gefunden werden in der Regel Rückstände des Wirkstoffs Propamocarb, der in Fungiziden enthalten ist und Pilzkrankheiten vorbeugt. Diese betragen laut Österreichs größtem Gurkerl-Verarbeiter ein bis 15 Prozent des gesetzlichen Höchstwertes, liegen also weit darunter.
Der Anhänger wird abgekippt und die Gurkerl werden gewaschen, sortiert und gewogen. Bezahlt werden die Bäuerinnen und Bauern nicht nur nach Menge, sondern auch nach der Gurkerlgröße. Es gibt Kategorien von A bis D, nach denen die Gurkerl sortiert werden. Am meisten Bedarf gibt es für die kleineren Gurkerl von drei bis sechs Zentimetern. Größere Gurkerl werden geschnitten und in Scheiben verkauft, etwa als Sandwichgurken oder in größeren Verpackungen für die Gastronomie. Ein optimales Gurkerl, egal welcher Größe, sollte möglichst dreimal so lang wie dick sein.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen sich die auf einem Band vorbeifahrenden Gurkerl an und sortieren beschädigte aus. Bevor sie eine Maschine ins Glas befördert, müssen die Gurkerl noch ausgerichtet werden, um schön von oben hineinfallen zu können. Das erledigt ein Rüttelband, das die Gurkerl so lange durchschüttelt bis sie alle in dieselbe Richtung zeigen. Meist sind die Gläser nicht genau bis zum Rand voll. Daher gibt es die so genannten “Stopfer”. Das sind Personen, die die Gurkerl ins Glas drücken und bei Bedarf welche ergänzen oder herausnehmen. “Stopfer” ist in der Region Eferding ein beliebter Ferialjob. Sind die Gurkerl im Glas, wird es Zeit für die Einlegeflüssigkeit. Sie kommt ins Glas, dann wird der gesamte Glasinhalt auf mindestens 78 Grad erhitzt. “Pasteurisieren” heißt dieser Vorgang, bei dem Keime abgetötet werden. Danach wird der Glasinhalt auf 28 Grad abgekühlt. Dann sind die Gurkerlgläser bereit für’s Etikett. Ein Scanner überprüft jedes Glas auf Fremdkörper wie Glasbruchstücke. Auf Paletten geschlichtet kommen sie ins Lager.
> Inhaltsstoffe der Einlegegurke und -flüssigkeit
Das Pasteurisieren, das luftdichte Verschließen und die Einlegeflüssigkeit machen Gurkerl sehr lang haltbar. Das Mindesthaltbarkeitsdatum liegt rund drei Jahre nach dem Datum der Abfüllung. Selbst dann sind die Gurkerl in der Regel noch genießbar, verlieren aber ihre Knackigkeit.
In Deutschland, wie auch in den meisten anderen Ländern, haben die Gurkerl eine warzige Oberfläche. Die deutschen Gurkerlerzeuger haben in klimatisch besonders günstigen Regionen höhere Erträge pro Hektar und können billiger produzieren. Die Nettolöhne für die Erntehelfer sind in Deutschland wie in Österreich wesentlich höher als in Osteuropa. Durch den höheren Sozialversicherungsbeitrag kosten die Erntehelfer einem heimischen Bauern mehr als einem deutschen. Die Gurkerl aus Deutschland haben in Österreich einen Marktanteil von sechs bis sieben Prozent.
Früher konservierte man Gurkerl mit Salz. Eine heimische Herstellerin oder ein Hersteller erzeugt auch heute noch rund fünf Prozent der Gurkerl mit der traditionellen Methode – die so genannten Salzgurken. Das Besondere daran ist, dass nicht das Verarbeitungswerk, sondern ein einziger Bauer auf seinem Hof die Gurkerl mit der traditionellen Methode der Milchsäuregärung haltbar macht. Bei der Gärung entstehen so genannte probiotische Keime , die Salzgurken gut verdaulich machen und zudem die Darmflora stärken. Derselbe Vorgang geschieht bei der Herstellung von Joghurt oder Sauerkraut. Die Gurkerl werden zehn bis 14 Tage in einem 3.000-Liter-Tank mit Wasser, Gärungsessig und Salz eingelegt, der Deckel bleibt offen. Durch die Salzlake und den Sauerstoff kommt es zu einer Milchsäuregärung. Danach werden die Gurkerl wieder zum Verarbeitungswerk gebracht und in Gläser abgefüllt. Trotz der konservierenden Wirkung durch die Milchsäuregärung erfolgt noch eine Pasteurisation, wodurch die gesundheitlich wertvollen Milchsäurebakterien teilweise abgetötet werden.
Die einzigen Gurken, die reif geerntet werden, sind so genannte Schälgurken. Man findet sie in den Regalen eingelegt als Senf- oder Honiggurken. Schälgurken sind bei der Ernte gelblich.