Wie gefährlich ist Glyphosat im Bier?
Der Verein für Konsumenteninformation VKI veröffentlichte in seinem Magazin KONSUMENT 4/2018 Testergebnisse, wonach in sieben von dreizehn Biersorten Spuren des umstrittenen Totalherbizids Glyphosat gefunden wurden. Darunter auch in fünf Bieren aus heimischer Produktion. Die gemessene Glyphosat-Konzentration lag zwischen 0,7 und 1,8 Mikrogramm pro Kilo. Zum Vergleich: Der Grenzwert für Glyphosat im Trinkwasser liegt bei 0,1 Mikrogramm pro Kilo. Ein Glyphosat-Grenzwert für Bier existiert nicht. Im Filminterview haben wir zwei Experten mit diesen Ergebnissen konfrontiert. Roland Achatz, der für die Risikokommunikation der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit zuständig ist, meint dazu, dass diese Ergebnisse aus wissenschaftlicher Sicht unproblematisch seien, da keine gesundheitliche Relevanz vorliege nach breitem wissenschaftlichem Konsens. „Bei sachgemäßer Anwendung geht vom Wirkstoff kein Krebsrisiko aus“, so sein Fazit.
Nicht vom im Spurenbereich enthaltenen Glyphosat, sehr wohl aber vom Alkohol. Er plädiere dafür, die Relation eines tatsächlichen Gefährdungspotenzials nicht aus den Augen zu verlieren. Dieses sei bei Alkohol unstrittig, während eine ganze Reihe von Risikobewertungsinstitutionen weltweit seit Jahrzehnten Glyphosat als unbedenklich einstufen würden, mit einer Ausnahme, dem IARC (Internationale Krebsrisiko Agentur).
Die Einstufung der Krebsgefahr geht also auf diese WHO-Unterorganisation zurück. Diese prüft, ob der Stoff prinzipiell das Potenzial besitzt, Krebs auszulösen. In dieser Prüfung stufte die Agentur Glyphosat auf den Wert 2a, also als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Auf derselben Krebsgefährdungsstufe 2a befindet sich etwa auch der Friseurberuf. Mit 1, also als „sicher krebserregend“, bewertet das IARC Stoffe wie Alkohol, Tätigkeiten wie das Kaminkehren und hormonelle Verhütungsmittel, die sowohl Östrogen als auch Progesteron enthalten.
Von Michael Gartner, Mitglied der österreichischen Lebensmittelcodex-Kommission, wollten wir im Filminterview wissen, wie es möglich sei, dass überhaupt Glyphosat ins Bier gelangen kann, ungeachtet der geringen festgestellten Mengen. Er betont, dass die direkte Anwendung von Glyphosat bei den für die Bierherstellung benötigten landwirtschaftlichen Rohstoffen, also Gerste, Weizen und Hopfen in Österreich nicht erlaubt sei. Warum es dennoch in Spuren nachgewiesen werden konnte beantwortet Michael Gartner wie folgt: „Glyphosat werde ich am Großglockner finden, im Wörthersee, überall, wenn ich mit der Nachweisgrenze entsprechend weit runtergehe. Wenn Spuren gefunden werden, muss man sagen, dass wir in einer Welt leben, wo man sich nicht abkapseln kann.“
Beizung von Winterbraugerste – Neonicotinoide nicht mehr erlaubt
Im April 2018 beschloss die Europäische Kommission ein Komplettverbot für den Einsatz im Freiland von Pflanzenschutzmittel mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Neonicotinoide. Dass einige Neonicotinoide bienenschädigendes Potential besitzen, ist in der Wissenschaft unbestritten. Umstritten ist allerdings, inwiefern und in welchem Ausmaß Neonics bei unterschiedlichen Anwendungen in der agrarischen Praxis tatsächlich den wichtigen Bestäubern schaden. Auch im Anbau von Wintergerste kamen bis 2018 Neonicotinoide zum Einsatz. Vor allem in Form der Saatgutbeizung. Eine Beizung dient grundsätzlich dazu, neben der Bekämpfung der samenbürtigen (also bereits im Samen angelegten) Krankheiten das gesunde Überwintern des Wintergetreides zu ermöglich.
Bezogen auf Rohstoffe für das Bier war Beizung nur bei der Winterbraugerste ein Thema, weil die Blattlaus im Herbst als mögliche Überträgerin von Viruskrankheiten auftritt, die ihr zerstörerisches Potential erst im Frühjahr offenbaren. Denn ob ein Blattlausbefall auch zur Infektion mit dem gefürchteten Gelbverzwergungsvirus führt, der erhebliche Ertragsverluste zur Folge hat, zeigt sich erst vor dem Austreiben der Ähren im März/April. In schlimmen Fällen muss der Landwirt das Feld dann komplett umbrechen, neu mit einer Kultur bepflanzen und hoffen, dass es dafür noch nicht zu spät ist. Das Virus sei nur alle paar Jahre ein Problem, heißt es vonseiten der Landwirtschaftskammer.
Durch das Verbot durfte bis zum 19. Dezember 2018 (zumindest vorläufig) zum letzten Mal gebeiztes Saatgut gesät werden. Erfahrungswerte für die Zeit nach der Neonic-Beize liegen demnach noch nicht vor. Sicher ist, dass der Anbau von Wintergerste damit risikobehafteter wird. Geeignete chemische Alternativen für den konventionellen Wintergerstenanbau seien zurzeit nicht vorhanden. Ein etwas späterer Anbau als bisher üblich, um der Blattlausbedrohung durch die damit einhergehenden niedrigeren Temperaturen sozusagen auszuweichen, könnte Abhilfe verschaffen.
Klimawandel gefährdet Rohstoffangebot
Die mit großem Abstand wichtigste Region für den heimischen Anbau von Sommerbraugerste ist das Weinviertel. Hier ganz besonders machten sich in den letzten Jahren die Auswirkungen des Klimawandels bemerkbar: sprich höhere Temperaturen und weniger Niederschlag im Jahresschnitt bei gleichzeitiger Zunahme von Extremwetterereignissen wie Starkregen. Vor allem die zunehmende Frühjahrstrockenheit führe laut Thomas Taibel, einem jungen Ackerbauern der Erzeugergemeinschaft Zistersdorf, der unter anderem Sommerbraugerste in seiner Fruchtfolge anbaut, dazu, dass sich die Zeitfenster für Anbau und Ernte immer mehr verengen und das Risiko für Fehlernten bzw. für Gerste minderer Qualität zunimmt, welche dann nur noch als Viehfutter vermarktet werden könne.
> Sommer- und Winterbraugerste
Dieses höhere Risiko, das immer weniger Landwirte bereit sind einzugehen, schlägt sich auch eindeutig in der Statistik nieder. Nämlich in einem historischen Tief der Anbaufläche für Sommergerste in 2022 mit rund 26.000 Hektar. Zum Vergleich, Anfang der 80er waren es über 200.000 Hektar. Winterbraugerste, die mit bedeutend weniger Risikofaktoren im Anbau verbunden ist, wurde bislang von vielen Brauereien eher weniger geschätzt und nur zu geringen Teilen beigemischt. Hier setzt allerdings langsam ein Sinneswandel bei den Brauereien ein und die Akzeptanz von Wintergerste steigt. Gerste ist als relativ extensive Frucht, die den Boden schont und mit vergleichsweise wenig Düngung auskommt, ein auch ökologisch wertvoller Bestandteil für die Fruchtfolge.
Bio-Bier kommt nicht aus der Nische
Österreich gilt zu Recht als Bio-Hochburg und gleichzeitig als Bier-Hochburg mit dem zweithöchsten Pro-Kopf-Verbrauch weltweit. Was liegt da näher als die Vermutung, dass beide Hochburgen zusammen einer hohen Bio-Bier Produktion als Basis dienen. Dies ist aber nicht der Fall. Bio-Bier bewegt sich seit Jahren im niedrigen einstelligen Prozentbereich sowohl in Produktion als auch Konsum. Relativ wenige Brauereien produzieren überhaupt Bio-Bier und das sind eher die kleineren mit einigen namhaften Ausnahmen. Grund genug für uns diesen Aspekt zu beleuchten.
Nikolaus Riegler, Eigentümer der Privatbrauerei Hirt, einem der größeren heimischen Bio-Bierproduzenten, nennt im Filminterview Gründe dafür. Demnach sei Bio beim Bier der Konsumentin oder dem Konsumenten recht schwer erklärbar, weil so gut wie alle Brauereien mit der Natürlichkeit ihres Produktes werben. Deshalb sei die Notwendigkeit eines extra Bio-Labels nicht einfach zu argumentieren. Natürlich sei aber nicht gleich Bio. Bio beim Bier bedeute, dass alle Rohstoffe von zertifizierten und entsprechend kontrollierten landwirtschaftlichen Betrieben stammen. Für ein Bio-Bier, müsse der gesamte Einkauf und die Produktion nach Bio-Richtlinien erfolgen und der gesamte Mengenfluss von einer externen Zertifizierungsstelle kontrolliert werden.
Ein zweiter Grund für den niedrigen Bio-Bieranteil liegt auf der Rohstoffseite. Bio-Hopfen sei nämlich extrem herausfordernd zu produzieren, wie uns im Filminterview unter anderem Albert Stalinger erklärt, einer der wenigen Bio-Hopfen-Bauern des Landes. Hopfen sei besonders empfindlich gegen Schädlingsbefall und es gebe nur wenige zugelassene Pflanzenschutzmittel. In schlechten Jahren müsse sogar mit Totalausfall gerechnet werden. Und selbst in guten Jahren betrage die Ernte kaum mehr als 50 Prozent jener seiner konventionellen Kollegen, so Stalinger. Besonders der Falsche Mehltau, ein pilzlicher Schädling, kann verheerende Folgen für den Ertrag haben.
Kupfer ist sowohl für die konventionelle als auch für die ökologische Landwirtschaft ein elementarer Stoff gegen Pilzkrankheiten. Lange Zeit waren Spritzungen mit bis zu 60 Kilo Kupfer pro Jahr pro Hektar üblich, was teilweise zu problematischen Anreicherungen im Boden geführt hat, da Kupfer als Schwermetall nicht abgebaut wird. Die aktuelle EU-Verordnung von 2006 sieht maximal vier Kilo Kupfer pro Hektar vor, die meisten Betriebe versuchen, mit noch weniger auszukommen. Das macht sich bezahlt, denn für Hopfen aus ökologischem Anbau werden gelegentlich astronomische Preise geboten. Bis um das Jahr 2000 herum war das Bio-Bier eher malzbetont eingebraut und es wurde am raren und teuren Bio-Hopfen gespart.
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> Ökonomische Aspekte