Was ist „Green Care“?
10.07.2025 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion
Landwirtschaft kann mehr, als „nur“ Lebensmittel produzieren. „Green Care – Wo Menschen aufblühen“ zeigt eine ganz andere Seite der bäuerlichen Betriebe: die soziale Komponente. Was es damit auf sich hat, erzählten uns der Green-Care-Geschäftsführer Günther Mayerl und Maria Hötschl, die Obfrau des Vereins „WIR für greencare“, im Interview.
Land schafft Leben: Unter dem Begriff „Green Care“ können sich viele vermutlich nur wenig vorstellen. Also starten wir mit den Basics: Was ist Green Care?
Günther Mayerl: Green Care sind soziale Dienstleistungen, die auf land- und forstwirtschaftlichen Betrieben angeboten werden. Das kann zum Beispiel ein Kindergarten, eine Seniorenresidenz, Bildungsangebote für Erwachsene, tiergestützte Angebote für Menschen mit Beeinträchtigungen, gesundheitsförderliche Angebote oder auch ein Beschäftigungsprojekt für Menschen sein, die am ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben.
Maria Hötschl: Und diese breite Palette an Möglichkeiten wird sich sicherlich im Laufe der Zeit noch erweitern, weil sich auch unsere Gesellschaft verändert – und dadurch entstehen neue Bedürfnisse.
Land schafft Leben: Welche Bedürfnisse können das zum Beispiel sein?
Günther Mayerl: Der Gesundheitsbereich ist gerade ganz stark. Deswegen gibt es viele Green-Care-Angebote für Menschen, die gerne etwas für ihre Gesundheit tun möchten. Das kann eine Person sein, die von Burnout betroffen ist, jemand, der die schlechte Luft in der Stadt nicht aushält oder Kinder, die einfach mal rauskommen wollen. Und solche Auszeithöfe bieten dann zum Beispiel Natur, frische Luft und Zeit im Grünen.
Land schafft Leben: Welchen Mehrwert bringt Green Care für die Betriebe selbst – außer die soziale Bereicherung?
Maria Hötschl: Green Care stärkt zum Beispiel die Lebensqualität im ländlichen Raum. Es werden neue Arbeitsplätze und soziale Angebote geschaffen. Und ganz wichtig in der heutigen Zeit: Der Hof bleibt erhalten. Man kann den eigenen Betrieb breiter aufstellen, sich ein weiteres Standbein aufbauen. Generell erreicht man eine viel höhere Wertschöpfung am Betrieb. Wenn mehr Leute auf deinen Betrieb kommen, dann kannst du zum Beispiel auch deine eigenen Produkte im Hofladen gut verkaufen.
Land schafft Leben: Wie hat sich Green Care in Österreich entwickelt?
Günther Mayerl: Das Konzept von Green Care hat sich im Norden von Europa schon sehr etabliert. Seit etwas über zehn Jahren gibt es Green Care jetzt auch in Österreich. Derzeit sind es 132 zertifizierte Betriebe in ganz Österreich. Und wir merken, dass Interesse da ist, die Betriebe überlegen sich, welche Möglichkeiten sie haben, um die klassische Landwirtschaft mit Green Care zu ergänzen.
Maria Hötschl: Was Green Care in Österreich so einzigartig macht, ist das einheitliche System und die österreichweit geltenden Regelungen. Immer wieder schauen sich andere Länder an, wie das bei uns funktioniert. Mit unserem System sind wir ein echt tolles Vorzeigeprojekt geworden – das man auch stolz herzeigen kann.
Land schafft Leben: Kann sich jeder landwirtschaftliche Betrieb für Green Care zertifizieren lassen?
Günther Mayerl: Grundsätzlich ja. Das kann ein Hof mit Tieren sein, ein Acker-, Obst- oder Gemüsebetrieb oder eine Gärtnerei – solange gewisse Voraussetzungen erfüllt werden. Zum Beispiel muss es ein aktiver landwirtschaftlicher Betrieb sein und es braucht einen Hektar Mindestfläche. Die Hürden sind nicht sehr hoch, man muss da nicht direkt riesengroße Investitionen tätigen. Uns ist es wichtig, dass die bestehende Infrastruktur der land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe genutzt wird – und dass die Qualität, die Ausbildung und das Angebot passt.
Land schafft Leben: Wie läuft der Weg bis zur Green-Care-Zertifizierung ab?
Günther Mayerl: Die interessierten Betriebe melden sich bei uns, dann gibt es eine Erstberatung, wo man sich den Betrieb anschaut und über die Ideen und Möglichkeiten spricht, die es gibt. Wenn die Grundvoraussetzungen erfüllt sind und die Qualität des Angebots passt, dann wird der Betrieb von einer externen Firma geprüft und kann zertifiziert werden. Alle vier Jahre gibt es dann eine Re-Zertifizierung, um zu schauen, ob die Qualität noch passt.
Maria Hötschl: Das Projekt wird auch von der EU gefördert und dadurch kann die Beratungsleistung für die Bäuerinnen und Bauern fast komplett kostenfrei erfolgen – das ist natürlich eine sehr große Erleichterung für diejenigen, die diesen Schritt wagen möchten. Ein ganz wesentlicher Vorteil ist auch, dass man über den gesamten Zertifizierungsprozess hinweg begleitet wird. Auch danach bekommen die Landwirtinnen und Landwirte laufend Informationen und Marketingunterstützung, es gibt Fortbildungsveranstaltungen, Netzwerk-Treffen und so weiter.
Land schafft Leben: Viele Leute kennen Green Care noch gar nicht. Wie erreicht ihr neue Betriebe, die sich zertifizieren lassen möchten?
Maria Hötschl: Dafür gibt es seit 2024 die Unterstützungsorganisation „WIR für greencare“. Dieser Verein ist für die Kommunikation ganz wesentlich, denn da geht es einerseits darum, neue Betriebe dazuzugewinnen. Andererseits können wir das Projekt Green Care einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen und den Menschen den Mehrwert davon vermitteln. Außerdem haben wir hier die Möglichkeit, Spenden zu sammeln, unter anderem in Form von Charity-Veranstaltungen oder Privatspenden. Diese Gelder kommen dann direkt den bäuerlichen Betrieben zugute.
Land schafft Leben: Warum ist Green Care so wichtig?
Maria Hötschl: Heutzutage sind viele Leute schon ganz weit weg von der Landwirtschaft. Oft glauben die Menschen, dass wir in Österreich Betriebe mit weiß Gott wie vielen Hektar haben, Massentierhaltung und so weiter. Dass unsere Landwirtschaft aber sehr kleinstrukturiert ist und es viele Familienbetriebe gibt, wissen viele nicht. Und genau diese Betriebe sollen erhalten bleiben.
Günther Mayerl: Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass die Landwirtschaft auch in anderen Bereichen einen Beitrag leistet – im Gesundheitsbereich, im sozialen Bereich. Und das ist sicher etwas ganz Besonderes, dass all diese verschiedenen Aspekte am Bauernhof zusammengebracht werden und sowohl die Klientinnen und Klienten als auch die Bäuerinnen und Bauern einen Mehrwert davon haben.
Neugierig geworden? Die verschiedenen Green-Care-Angebote sowie alle Infos für interessierte Betriebe findest du direkt bei Green Care oder bei WIR für greencare.