Die Kraft am Land ist weiblich Vol. 1: Carina Laschober-Luif

05.07.2019 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion, Lebensraum & Nachhaltigkeit

Bäuerin. Bloggerin. Burgenland.

Bäuerin. Bloggerin. Burgenland. Fehlt da nicht ein „B“? „B“ wie Bio? Weil doch das Burgenland die Bio-Vorzeigelandwirtschaft werden soll, geht es nach dessen Landeshäuptling? Warum Carinas bunter Bauernhof in Pinkafeld zwar von vielen für Bio gehalten wird, sie selbst aber vom Bio-Zwang wenig hält. Warum sie mit dem Bloggen angefangen hat. Was sie von den Schülern am Bauernhof lernt und ihnen zu zeigen versucht. Warum es zu wenig ist, wenn sich Bauern hinstellen und sagen: „Wir machen super Lebensmittel!“ und warum sie allen Standeskollegen dringend rät, sich mehr am öffentlichen Gespräch zu beteiligen: All das war Thema bei meinem Besuch bei Carina im Burgenland.

Begonnen hat alles mit einem Video des Nachhaltigkeitsministeriums, in dem Carina vorkommt. Nein, begonnen hat alles, nachdem ich die ersten paar genialen Geschichten auf Carinas Blog gelesen hatte. Aber so richtig begonnen hat es erst mit einer langen Nachricht an Carina via Facebook. Out of the blue habe ich ihr darin Fragen an den Kopf geworfen, die 99 von 100 sicher schwer verschreckt hätten. Nicht so Carina, die mir geduldig und ausgiebig und überzeugend auf alle Fragen geantwortet hat in einer sehr sehr schönen Mail. Das hat mich schwer beeindruckt. Die muss ich kennenlernen!

Warum ich ihr voll mit der Tür ins Haus gekracht bin, anstatt vorher höflich anzuklopfen, kann ich mir bis heute nicht ganz erklären. Das hätte eben auch leicht schiefgehen können. Was sich mir in Carinas Reaktion aber jedenfalls bereits zum ersten Mal gezeigt hat, war einer ihrer ganz besonders ausgeprägten Charakterzüge, der sich dann auch beim persönlichen Kennenlernen immer wieder auf das Angenehmste zu erkennen gibt: Diese Frau ist so gar nicht wehleidig, ist so herrlich angenehm unempfindlich. Nicht unempathisch, im Gegenteil, aber eben alles andere als eine Mimose. Da lässt es sich ungeniert miteinander reden. Diese Unempfindlichkeit, das spüre ich ganz deutlich, wächst aus einer gefestigten Persönlichkeit, die gut verwurzelt in ihrem bäuerlichen Alltag steht.

Dabei sieht Carina gar nicht aus „wie eine Bäuerin“…

… und das Dirndl führt sie auch nur bei ganz besonderen Anlässen wie der Siegerehrung beim Austria Food Blog Award aus, den Carina 2017 mit einem herrlichen Rezept plus einer Geschichte über ihre "Wuzinudeln" gewinnen konnte. Normalerweise kreuzt sie aber mit Nasenpiercing und in Converse-Schuhen auf. Da schauen dann die Kinder schon mal groß, wenn Carina sie in der Schule besucht, bevor jene dann zur ihr auf den Bauernhof kommen. In ihren Kindertagen, sagt sie, ist das Commitment zum Bäuerlichen, wie man neudeutsch sagen würde, noch nicht besonders ausgeprägt. Wenig Begeisterung etwa ruft das Heuhen an heißen Sommertagen hervor, wenn alle Klassenkameraden sich im Freibad tummeln. Deshalb strengt sie sich in der Schule besonders an.

 

...sieht gar nicht aus „wie eine Bäuerin“...

 

Wer fleißig lernt, muss weniger Hand anlegen. Obwohl sie ein einschlägiges Studium an der BOKU absolviert, ist der familiäre Bauernhof zunächst nicht das logische Berufsziel. Sie versucht sich in einem Bürojob, nur um herauszufinden, dass die ewige Computerarbeit sie fadisiert. Also doch irgendwas mit Landwirtschaft? Aber was? Zuhause am Hof kreucht und fleucht schon alles Mögliche an Getier herum, Kühe, Federvieh und Schweine, Carinas Lieblinge. Grünland, Acker- Obst- und Gemüsebau und natürlich ein bisschen Wald – alles da. Einen zusätzlichen landwirtschaftlichen Betriebszweig aufmachen? Wo eh schon alle bis oben hin ausgelastet sind, also die Eltern, der Bruder mit Freundin und sie selbst als zweifache Mutter sowie ihr Künstlergatte? Da meldet sie ihre Mutter zur Ausbildung als Seminarbäuerin an. Ein neues Kapitel in Carinas Leben beginnt.

Alles Mögliche an Getier kreucht und fleucht herum: Kühe, Federvieh und Schweine. Grünland, Acker- Obst- und Gemüsebau und natürlich ein bisschen Wald – alles da...

 

Seminarbäuerin. Schule am Bauernhof.

„Die Mama husst mich immer wo rein, wo ich mir zuerst denk so ein Scha… und dann mach ich’s und es taugt mir.“ Überhaupt, die Mama: Von der hat sie, das merk ich bald, die Lust am Geschichtenerzählen. Eine Anekdote nach der anderen streut die Trude ins gemeinsame Gespräch ein. Es wird viel gelacht in dieser Familie, auch das ein Kitt, der Bauernfamilien zusammenhält. Die Ausbildung zur Seminarbäuerin taugt Carina von Anfang an. Sie hält Workshops in Schulen zu vorgebebene Themen und holt die Schule selbst an den Bauernhof. Das bringt nicht nur ein willkommenes Plus fürs Familieneinkommen, sondern wertvolle Erfahrungen mit dem anspruchsvollen „Kunden“ Kind. Nie vergessen werde sie etwa, wie sich eine Wiener Volksschulklasse abfällig über die zuvor gemeinsam mit Begeisterung zubereitete „gesunde Jause“ ausgelassen hat: „Pfui, is des grauslich!“ Da habe sie schon schlucken müssen und zugleich sei es eine lehrreiche Erfahrung gewesen.

 

...wertvolle Erfahrungen mit dem anspruchsvollen „Kunden“ Kind

 

Nicht zuletzt diese Wiener Kinder hätten ihr dadurch aufgezeigt, dass es heute zu wenig ist, wenn sich Bauern hinstellen und sagen: Wir produzieren beste Lebensmittel. Das interessiere niemanden. Das als Botschaft sei einfach zu wenig. Verdrießen sie derlei Erfahrungen? Nein. Carina denkt darüber nach und reagiert auf ihre Weise, indem sie das dazu liefert, von dem sie überzeugt ist, dass es interessant ist: Den Mehrwert, die Geschichte, die Bilder, das Rezept. Live vor Ort bei ihr am Bauernhof oder auf ihrem Blog.

 

 

Wenn sich Bauern hinstellen und sagen: Wir produzieren beste Lebensmittel. Das interessiert niemanden.

Und plötzlich Bloggerin

Auch hier ist es die Mutter, die den ersten Anstoß gibt. Sie beauftragt Carina ein bisschen in der Familiengeschichte zu stöbern. Eine Art Familienchronik entsteht und damit zugleich eine Quelle, aus der Carina mit dem Auge für die gute Geschichte ihre Blogs herausfischt. Für den letztlich entscheidenden Schritt aber kommt ihr der väterliche Leitspruch entgegen: „Man darf sich nicht vor sich selber fürchten!“ Der witzige Mut, der aus diesem herrlichen Bonmot spricht, der Aufruf an sich selbst, sich aus der Komfortzone dorthin zu wagen, wo das mutigere Selbst hinaus will: Er springt einen auch aus Carinas schelmischen Augen an. Und wenn oft von Mutterwitz die Rede ist, bei Carina würd ich mindestens gleichwertig von Vaterwitz sprechen. Vater Erich, das verrät er mir auf meine Frage, ist denn auch nicht wenig – und völlig zurecht – stolz auf seine Tochter.

 

Man darf sich nicht vor sich selber fürchten!

Jetzt also Bloggerin. Foodbloggerin natürlich. Es geht um Lebensmittel, ums Essen, ums Kochen. Aber eben nicht nur. Reine Foodblogs gibt es wie Sand am Meer. Auch die eine oder andere Bäuerin mischt sich in die bunte Blogger-Community. Carinas Blog aber sticht für mich hervor. Weil sie eben auch hier den Mehrwert liefert, der für mich die ganze Sache erst interessant macht. Das sind ihre Geschichten. Das ist die Geschichte des Hofes, die sie immer wieder geschickt mit einflicht, und damit schön zeigt, dass es kein Zufall ist, wie Landwirtschaft heute aussieht, dass sie etwas Lebendiges, sich Veränderndes ist, das mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert, zu stets neuen Lösungen finden muss. Das ist alles wunderbar verständlich geschrieben. 

Da ruft sie einen 70 Jahre alten Birnbaum, den ihr Urgroßvater gepflanzt hat, als stummen Zeugen für generationsübergreifendes Denken auf; da bringt sie eine Liebeserklärung an ihre Schweine ganz selbstverständlich neben herzhaften Rezepten aus der „Wurst-und Fleischkuchel“. Da philosophiert sie über „gut“ (bio) und „böse“ (konventionell) in der Landwirtschaft und warum sie mit dieser medial fleißig geschürten Wahrnehmung der Landwirtschaft selber so gar nicht einverstanden ist. Und erläutert dabei mit leicht nachvollziehbaren Argumenten, warum das groß propagierte Projekt, das Burgenland zu 100 Prozent zur Bio-Oase umzumodeln, nicht weniger als das Aus für die ohnehin wenigen verbliebenen Milchviehbetriebe bedeuten würde. Und damit auch für den ihrer Familie. Der von den meisten Besuchern nach dem Augenschein für einen Biobetrieb gehalten werde, wie Carina sagt: Keine Massentierhaltung sondern eine bunte Vielfalt an Nutztieren – muss also Bio sein. Ist er aber nicht.

Und viele andere Geschichten und natürlich wunderbare Bilder und Rezepte auf Carinas Blog. Das ist in Summe eine derart runde Sache, dass, wie schon erwähnt, auch der Austria Food Blog Award nicht anders konnte als Carinas Beitrag 2017 zum Sieger zu küren.