Rumänien (2/2): „100 % rumänisch“ als Verkaufsargument
05.06.2019 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion
Regionalität liegt nicht nur in Österreich im Trend. Auch in Osteuropa setzen immer mehr Menschen bewusst auf Lebensmittel aus dem eigenen Land. Ich war auf Einladung der EU-Kommission in Rumänien und hab einen Eindruck bekommen, wer Rumäniens Bauern und ihre Mitarbeiter sind und wie sie ihre Produkte vermarkten.
„Wir müssen mit unseren heimischen Lebensmitteln eine Geschichte erzählen“, sagt Felix Arion, Professor an der Agraruni USAMV in Cluj. Er hofft, dass rumänische Bauern durch den Trend zu Regionalität in seinem Land eine Chance bekommen, gegen Agrarkonzerne zu bestehen. Professor Arion möchte die Landwirtschaft dabei unterstützen, ein regionales Label aufzubauen. Wie im ersten Blogbeitrag über meine Rumänien-Reise erwähnt, wird fast die Hälfte der Agrarfläche von ausländischen Unternehmen bewirtschaftet. Andererseits gibt es so viele Bauern wie in keinem anderen EU-Land, viele mit weniger als einem Hektar. Und das, obwohl sich ihre Anzahl in zwei Jahrzehnten halbiert hat. „Die Kleinen haben kaum eine Chance, an die großen Supermärkte zu liefern“, sagt Felix Arion. Erzeugergemeinschaften gebe es nur wenige.
"Die Kleinen haben kaum eine Chance, an die großen Supermärkte zu liefern."
Spezialität und Regionalität oder Größe und Weltmarkt
Die Menschen zieht es in die Städte. Ein Thema, das wir auch in Österreich kennen. Felicia Tulai ist in der ländlichen Gemeinde Luna südöstlich von Cluj aufgewachsen. Auch sie ist nach Bukarest gegangen, um zu studieren und zu arbeiten. Eines Tages entschied sie sich zur großen Freude ihrer Eltern, nach Luna zurück zu kommen und deren Ölmühle zu übernehmen und zu entwickeln. Felicia Tulai gründete die regional renommierte Marke Luna Solai. Ihre Sonnenblumen-, Kürbiskern-, Walnuss- und Rapsöle bekamen internationale Auszeichnungen. 99 Prozent der erzeugten Ware verkauft sie in Rumänien, obwohl sie einen vergleichsweise hohen Preis verlangt.
Wie man ohne regionale Vermarktung neben ausländischen Investoren bestehen kann, zeigt uns der 43-jährige Rumäne Valentin Marginean. Sein Erfolgsrezept ist Größe. Auf 1200 Hektar baut er Weizen, Mais, Sonnenblumen, Raps und Zuckerrüben an. Am Hof von Valentin Marginean stehen acht moderne, grün-gelbe Traktoren einer bekannten US-Marke. Modernen Technologien war der Landwirt nie abgeneigt. Als es vor Rumäniens EU-Beitritt 2007 noch erlaubt war, baute er gentechnisch verändertes Saatgut an. Vor allem Weizen und Mais liefert Marginean über Rumäniens Schwarzmeerhafen an den Weltmarkt, zu dessen Preisen. Auch die Region, in der Marginean lebt und wirtschaftet, hat einige Herausforderungen zu bieten. Viele Dorfbewohner besitzen sehr kleine Felder. So pachtet er die Flächen für seine Landwirtschaft von über 1.000 Personen. In der Region gibt es so viele Wildschweine, dass diese bedeutende Schädlinge sind. Eines Abends habe Marginean 80 Stück auf einem Feld gesehen, erzählt er.
Rumänischer Käse für Rumänen im Ausland
Man könnte meinen, man ist in Österreich, wenn man vor einem der Ställe von Marius Bîcu steht. Seine 450 Milchkühe hält er in hellen, großen Laufställen. Es sind Tiere der auch in Österreich beliebten Rassen Holstein und Fleckvieh. Zu fressen bekommen sie Grünfutter, das auf den umliegenden Feldern geerntet und in Fahrsilos konserviert wird, wie es unzählige Milchbauern in Österreich machen. Gentechnikfreies Soja gibt es aber nicht, sondern gentechnisch verändertes aus Übersee. Die Milchkühe werden mit durchschnittlich sechs Jahren geschlachtet, auch ähnlich wie bei uns. Die Milch wird inklusive jener weiterer Bauern aus der Region zu Käse verarbeitet. Stolz schmückt eine rumänische Flagge das Etikett. Den Käse gibt es in Supermärkten in Rumänien und im Hofladen zu kaufen. 60 Prozent gehen in den Export. Im Ausland sind die wichtigsten Kunden Rumänen, die ihr Land verlassen haben, auf den Käse der Heimat aber nicht verzichten wollen.
Rumänische Erntehelfer in Österreich – wer erntet dann in Rumänien?
Auf das Regionalitätsbewusstsein seiner Landsleute setzt auch Dan Mitre, den ich bereits im ersten Blogbeitrag erwähnt habe und der auf einem Hügel über Cluj Obst anbaut. Seine Nähe zur 300.000-Einwohner-Stadt sieht er als großen Vorteil. „Immer mehr Menschen in Rumänien wollen Lebensmittel aus der Region“, sagt der junge Bauer wie viele seiner Kollegen. Das größte Problem neben den Wetterextremen der vergangenen Jahre ist für Dan Mitre der Arbeitsmarkt. Die engagierten Erntehelfer gehen nach Mitteleuropa, wo sie ein Vielfaches verdienen. Er selbst schimpft: „Was ein Erntehelfer in den Niederlanden an einem Tag arbeitet, dafür brauche ich vier Leute.“ Er müsse per Gesetz den Lohn jeden Tag zahlen. Das führe zu Unverlässlichkeit. „Heute kommen sie mal, am nächsten Tag einfach nicht“, erzählt Dan Mitre. Dass der Obstbauer von seinen Erntehelfern abhängig sei, würden sie genau wissen. Diese Abhängigkeit würden sie ausnutzen, meint jener. Selbst bei uns in Mitteleuropa, wo Erntehelfer (noch) aus anderen Ländern anreisen, führt der Erntehelfer-Mangel zu immer ernsthafteren Problemen, wie mein Kollege Peter berichtet.
„Du könntest dir eine Freundin im Ort suchen und hier bleiben“
Um Transsilvanien nicht mit einer wenig hoffnungsvollen Geschichte enden zu lassen, erzähle ich noch von der Asociatia Femeilor Voluntare Luna – quasi den Dorffrauen von Luna. Nach unserer Besichtigung der Ölmühle zeigen sie für uns Journalisten ihr traditionelles Handwerk, sie singen und kochen uns rumänische Spezialitäten. Mit Mariana Cucerzan, sie ist um die 60, kann ich mich sogar unterhalten, weil sie in Spanien gearbeitet hat und wie ich Spanisch spricht. Ob ich mir nicht in Luna eine Freundin suchen und hier bleiben möchte, fragt sie. „Ich hab bereits eine zuhause“, sage ich, wofür mich meine österreichische Freundin nach meiner Rückkehr lobt.
Man kann Rumänien nur wünschen, dass die eigene Bevölkerung Produkte aus dem eigenen Land zu schätzen weiß, auch wenn Lebensmittel am Weltmarkt vielleicht billiger zu haben sind. Dann können sich Gemeinden wie Luna mitsamt ihren kulturellen und natürlichen Schätzen erhalten und kleinstrukturierte Landwirtschaft in Rumänien hat weiterhin eine Chance.