Palmöl - Gesundheitsgefahr durch Lebensmittel
29.09.2017 / Essen & bewusster Konsum, Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion
Ich weiß, dass ich mich hier in die Nesseln setze. Noch letzte Woche habe ich mich als Butterfan geoutet und jetzt plädiere ich für eine Art Gerechtigkeit gegenüber Palmöl. Wo man doch spätestens seit dem mittwöchigen Greenpeace-Aufreger weiß, dass Palmöl nicht nur den Regenwald samt Orang Utan und Tiger killt, sondern jetzt offenbar auch noch uns Menschen! Schließlich hat Greenpeace krebserregende Stoffe in hoher Dosierung in manchen palmölhaltigen Produkten gefunden. Nun: Das ist natürlich bedenklich, aber um es mal mit einem Spruch meiner Mutter selig zu sagen: „Sterben tun wir nicht gleich davon!“ Lassen wir doch die Kirche im Dorf und schauen uns die Sache im Detail an.
Wie gefährlich ist Palmöl wirklich?
Tja, das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Erstens ist es nicht Palmöl per se, das möglicherweise Krebs begünstigt, sondern hoch erhitztes Palmöl, in welchem gewisse Stoffe freigesetzt werden. Und zwar sogenannte 3-MCPD und 2-MCPD sowie Ester verschiedener Fettsäuren mit Glycidyl.
Schauen wir mal, was unsere oberste Lebensmittelsicherheitsbehörde, die AGES, zu diesen Stoffen in Palmöl sagt:
„3-MCPD gilt als möglicherweise krebserregend für den Menschen. 2016 wurde eine tägliche duldbare Aufnahmemenge von 0,8 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag ermittelt, die ein Leben lang täglich aufgenommen werden kann, ohne dass sich daraus negative Folgen für die menschliche Gesundheit ergeben.
Für 2-MCPD existiert bislang kein derartiger Grenzwert. Die Auswirkungen auf den Organismus sind nicht ausreichend untersucht.
Glycidyl-Fettsäureester:
Im Körper werden Glycidyl-Fettsäureester aufgespalten und Glycidol wird freigesetzt. Diese Substanz gilt als wahrscheinlich krebsfördernd und erbgutschädigend. Die Aufnahme über Lebensmittel sollte daher so gering wie möglich sein. Für diesen Stoff kann keine täglich duldbare Aufnahmemenge festgelegt werden, bei dem negativen Folgen für die menschliche Gesundheit auszuschließen sind.“
Margarinen & Schokolade im Greenpeace-Gesundheitscheck
Die Rede ist also von einer „täglich tolerierbaren Aufnahmemenge“ … „ein Leben lang“. Und von „möglicherweise krebserregend“. Nun wurden im Greenpeace-Check in drei Produkten bedenklich hohe Konzentrationen gefunden. Eine allseits bekannte Erdbeer-Schokoladesorte war der Spitzenreiter. Ebenfalls hoch „belastet“ zwei beliebte Margarineprodukte. Hier rechnet Greenpeace vor: „Ein Kind hat die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge von 3-MCPD-Ester bereits nach elf Gramm, also nach weniger als zwei Stück der getesteten Erdbeer-Schokolade (…) erreicht. Bei den beiden Margarinen (…) genügen 13 beziehungsweise 17 Gramm, also zwei dünn bestrichene Semmelhälften.“ Was Greenpeace sowohl bei der Erdbeer-Schokolade als auch bei den Margarinen unter den Tisch fallen lässt, ist der in der AGES-Aussendung enthaltene Zusatz „ein Leben lang“.
Mit einer realen Gefährdung und gar mit einer akuten Gefahr hat das aber noch lange nichts zu tun
Nun ja, das kann schon passieren, wenn man bestimmte Ziele verfolgt. Ich will nicht falsch verstanden werden: Es ist schon ganz in Ordnung, dass Greenpeace hier Tests durchführt und auf eventuelle Gesundheitsgefahren durch hohe Konzentrationen von Palmöl in Lebensmitteln verweist. Ich finde es auch ganz richtig, dass Spar etwa die drei besonders „kontaminierten“ Produkte „als reine Vorsichtsmaßnahme“, wie verlautet wurde, aus dem Regal genommen hat, nachdem Greenpeace auf die Gesundheitsgefahren hingewiesen hat. Mir ist auch klar, dass Greenpeace um entsprechendes Medienecho mit ihrer Untersuchung zu erreichen die potentielle Gefahr in grelle Farben tauchen muss. Mit einer realen Gefährdung und gar mit einer akuten Gefahr hat das aber noch lange nichts zu tun. Die Rede ist, ich wiederhole mich, von „möglicherweise krebserregend“ bei einem Überschreiten einer LEBENSLANGEN TÄGLICHEN Konsumation von Produkten, in denen die Stoffe enthalten sind. Alkohol zum Vergleich ist laut WHO sicher krebserregend… „Ja. Es besteht kein Zweifel, dass Alkoholkonsum zumindest sieben Krebsarten verursachen kann…“
Entsprechend sollte dieses Greenpeace-Ergebnis hinsichtlich einer Gesundheitsgefahr durch Palmöl von seriöser wissenschaftlicher Seite kommentiert werden bzw. in seriösen Medien rezipiert. Und von seriösen Politikern…
Palmöl goes Politik
Aber in Wahlkampfzeiten ist es offenbar zu verlockend sich Seite an Seite mit Vertretern der Guten sprich der NGO’s, die einmal mehr eine „tödliche Gefahr“ ausgeforscht haben, als Retter der Nation hinzustellen und dem bösen Palmöl den Kampf anzusagen. Und weil es so schön zusammenpasst, soll es dem (noch böseren?) Glyphosat gleich mit an den Kragen gehen. Dass dabei eine kleine Verunsicherung bei den Konsumenten, dass reale Ängste gegenüber höchst zweifelhaften Gefahren nicht relativiert, sondern in Kauf genommen werden, stört das politische Kalkül nicht. Eine Win-win Situation für Politik und NGOs. Das Glyphosat-Fass soll hier (noch) nicht aufgemacht werden, aber zum „bösen Palmöl“ möchte ich doch ein paar Fakten ergänzen.
Nicht die Pflanze ist das Problem sondern das Produktionssystem
Ich fange mit den nach wie vor gravierenden Problembereichen an ohne allzusehr ins Detail zu gehen. Ich denke, diese sind seit den zahlreichen Kampagnen vieler NGOs landläufig bekannt. Tropische Regenwälder werden abgeholzt, Kleinbauern von ihrem Land „weggelobt“ bis hin zu enteignet, die Lebensräume von Orang-Utan und Tiger bedroht und Arbeiter sind unwürdigen Arbeitsbedingungen zu einem Hungerlohn ausgesetzt.
Seit diese unhaltbaren Produktionsbedingungen ein anhaltendes mediales Echo und damit einhergehende zunehmende Konsumentensensibilisierung („Nutellagate“) ausgelöst haben, ist aber ansatzweise hier und dort etwas zum Besseren gewendet worden. Und es sind vor allem die europäischen und amerikanischen Märkte, die sensibel reagieren und auf Ökologisierung und Anhebung sozialer Standards drängen. Gleichzeitig gehen in diese Märkte zusammengenommen nur 17% der globalen Palmölproduktion. Von diesen 17% wiederum nur ein kleinerer Teil in die Lebensmittelproduktion (34%) der überwiegende Rest des produzierten Palmöls wird zu „Biosprit“. Das mit Abstand meiste Palmöl fließt aber in den asiatischen Markt, der nicht unbedingt dafür bekannt ist, dass ihm ökologische und soziale Standards in der Produktion heilig wären.
Nun befürchten einige Experten, dass ein genereller Palmölboykott westlicher Staaten den unangenehmen Effekt hätte, dass bisherige Errungenschaften hin zu ökologischerer und sozial verträglicherer Produktion dadurch ihren Hauptmarkt verlieren und zurückgeschraubt würden, während der wachsende asiatische Markt den geringeren Verbrauch von Palmöl in Europa und Amerika rasch kompensieren würde.
Ölpalme - die Pflanze darf nicht mit dem Produktionssystem verteufelt werden
Außerdem müsste sich der Westen fragen, womit er das wegfallende Palmöl ersetzt. Und da fängt es sich so richtig an zu spießen. Palmöl ist nämlich an sich in vielerlei Hinsicht gar nicht so übel…
Die Ölpalme selbst ist eigentlich ein konkurrenzlos ertragreicher Öllieferant. Hinsichtlich der Flächeneffizienz hat daher Palmöl klare Vorteile: Während Farmer in Südostasien auf einem Hektar Anbaufläche bis zu vier Tonnen Palmöl erwirtschaften, sind die Erntemengen bei Soja mit nur 0,4, bei Sonnenblumen mit 0,6 oder bei Raps mit 0,7 Tonnen deutlich geringer. Palmölpflanzen sind äußerst genügsam und wenig anfällig für Krankheiten. Von Düngern bis zu Pestiziden – Ölpalmenfarmer setzen im Schnitt vier bis sechs Mal weniger Agrochemikalien ein als Soja- und Rapsfarmer!
Du siehst schon, das mit „durch und durch böses Palmöl“ ist bei näherem Hinsehen nicht mehr so klar und kein Palmöl daher auch keine Lösung.