Innovation in der Landwirtschaft?
23.08.2016 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion
1. Warum werden Innovationen in der Landwirtschaft kritischer gesehen als in anderen Bereichen?
2. Warum sollte ich als Konsumentin Produkten aus heimischer Landwirtschaft den Vorzug geben, wenn sich deren „Innovationsgehalt“ in einigen Bereichen zusehends darauf beschränkt, sich hoch industrialisierten internationalen Standards anzunähern?
Zwei provokante Ausgangsfragen. Die erste an mich als Innovationsmanagerin. Die zweite an mich und alle anderen Konsumenten UND an die angesprochene heimische Landwirtschaft. Ich werde versuchen beide Fragestellungen miteinander zu verknüpfen und auch meinen eigenen Standpunkt dabei kritisch hinterfragen.
Klar. Als Innovationsmanagerin findet frau Innovationen natürlich super, sie werden zum täglich Brot, fast einer Lebensphilosophie. Der Twitter Feed beim Frühstück liefert in rasanter Geschwindigkeit die Entwicklungen der letzten Stunden - man könnte beim Schlafen ja verpasst haben, was sich gerade in den Tech-Hochburgen der Welt so tut. Einmal infiziert, kann man sich dem Sog des ständig neuen kaum entziehen. Die Schlagwörter im Leben einer Innovationsmanagerin? Neugier, Spannung, Schnelllebigkeit, geniale Ideen.
Warum gibt es aber gerade im Bereich der Landwirtschaft so eine Skepsis gegenüber dem ständig Neuen, dem Effizienten, der Innovation? Ein Erklärungs(selbst)versuch.
Warum gibt es aber gerade im Bereich der Landwirtschaft so eine Skepsis gegenüber dem ständig Neuen, dem Effizienten, der Innovation?
In meiner Zeit als Innovationsberaterin kam ich mit unterschiedlichsten Branchen in Berührung. Ich muss jedoch gestehen, die Landwirtschaft war nicht darunter. Mit meinem Start bei Land schafft Leben eröffnete sich mir also ein komplett neues Feld. Gut, nicht komplett neu, man hat ja doch als Konsumentin und gebürtiges Landei einen Bezug dazu und ein Bild davon.
Bei einschlägigen Veranstaltungen und Vorträgen mit Fokus Landwirtschaft wird nun berichtet von den neuesten Technologien, Lösungen für evidente Problemfelder. Ressourcenschonend und genial, was wir Menschen im Stande sind zu erschaffen.
Ich kenne mich. Neuen Ideen ließen mein Herz sonst schneller schlagen, gebanntes Zuhören, tosender Applaus den Entwicklern, sofort auf die Liste der täglichen Updates. Wieso fühle ich mich dann aber nach der Präsentation des neuesten Feldroboters nicht wie gewohnt beglückt? Wo bleibt die Aufregung, Begeisterung, dieses Gefühl, gerade wieder ein Stück menschlicher Genialität erlebt zu haben?
Innovationen in der Landwirtschaft liegen in einem Spannungsfeld. Mit Innovationen meine ich in diesem Fall vor allem die im öffentlichen Diskurs stehenden technische Neuerungen, die Technologisierung, Automatisierung und die daraus folgende Effizienzsteigerung. Innovation kann natürlich viel mehr sein als das und sollte keinesfalls nur auf diesen Bereich reduziert werden, aber dazu ein anderes Mal.
Die Landwirtschaft produziert etwas für jeden von uns ganz Essentielles: Lebensmittel. Egal ob bekennende Fleischesser, Vegetarier oder Veganer – wir Österreicher ernähren uns (noch) zu einem doch recht großen Teil davon, was die Bauern für uns produzieren. Wenn ich nun die Worte Bauer, Bäuerin, Lebensmittel, Gemüse, Milch etc. schreibe, welche Bilder entstehen da in euren Köpfen? Also in meinem, trotz allem, eher romantische.
Bilder der Landwirtschaft, die wir sehen und solche, die wir nicht so gerne sehen wollen - warum?
Nun kann man sagen, was man will, natürlich sind wir von der Werbung, von Filmen etc geprägt, aber: Ich denke, der Grund, warum genau diese Bilder von qualitätsvoller, naturnaher Handarbeit, kleinen Strukturen, einem Leben in Einklang mit der Natur und den Tieren entstehen, ist unsere tiefe Sehnsucht nach etwas Ursprünglichem, das gerade beim Thema Lebensmittel, also Essen und Trinken, etwas ganz Bedeutendes darstellt. Essen ist etwas sehr Intimes; lebensnotwendig und genussvoll; für viele von uns ein Faktor, über den wir uns definieren.
Genau diese Sehnsucht gepaart mit den Bildern in unseren Köpfen, unserer Vorstellung der Realität, lässt hochtechnologisierte und automatisierte Neuerungen als komplette Störenfriede erscheinen. Platt gesagt: es passt einfach nicht zusammen.
Ich habe das Gefühl, dass wir ÖsterreicherInnen ganz besonders diesem Spannungsfeld ausgeliefert sind. Warum? Weil wir tatsächlich (noch) in bzw. mit diesem wunderbar kitschigen Almenidyll, mit Lebensmittelproduktion als Handwerk und der kleinstrukturierten, oft naturnahen Landwirtschaft aufwachsen. Auch wenn du jetzt vielleicht nicht so ein Landei bist wie ich, hast du wahrscheinlich schon einmal Urlaub am Bauernhof gemacht, warst wandern, schifahren oder hast sonst irgendwie die schöne Landschaft genossen. Wie passen da für dich Roboter, Drohnen und dergleichen ins Bild?
Bilder von qualitätsvoller, naturnaher Handarbeit, kleinen Strukturen, einem Leben in Einklang mit der Natur und den Tieren entstehen aus einer tiefen Sehnsucht nach etwas Ursprünglichem
Es wäre natürlich naiv zu glauben, die österreichische Landwirtschaft könne sich abschotten, und komplett auf die vielen effizienzsteigernden, ressourcenschonenden, kostensenkenden oder wie auch immer weltverbessernden technischen Neuerungen verzichten. Es können auch sicher nicht alle Neuerungen in einen Topf geworfen werden, viele davon bekommt der Konsument freilich gar nicht mit. Die österreichische Landwirtschaft braucht Innovation, davon bin ich überzeugt. Der freie Markt verlangt ein Schritt halten mit der Konkurrenz.
Für mich stellt sich jedoch auch die Frage: wenn sich die österreichische Landwirtschaft immer mehr der industriellen Produktion annähert, wenn genau dieses Almenidyll, das Handwerk und das verkitschte romantische Bild komplett wegfallen, was definiert dann die österreichische Landwirtschaft? Und was soll mich als Konsumentin dazu bewegen, nicht zur absolut austauschbaren Ware aus irgendeinem x-beliebigen Land zu greifen?