Hochachtung vor dem Karpfen: ein Fisch mit Zukunftspotenzial

06.06.2025 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion

Stehen auf der Speisekarte verschiedene Fische zur Auswahl, fällt die Wahl in Österreich nur selten auf den Karpfen. Völlig zu Unrecht, denn hinter dem Karpfen steckt nicht nur eine jahrhundertealte Tradition, sondern er ist auch ein echtes Multitalent: nachhaltig in der Produktion und überraschend vielseitig in der Küche. Beim Koch.Campus in Litschau stand der Karpfen im Mittelpunkt. Denn es ist Zeit, den Karpfen neu zu entdecken und wieder wertschätzen zu lernen.

Ein neuer Workshop des Koch.Campus stand am 19. Mai auf dem Programm – dieses Mal im nördlichen Waldviertel, genauer gesagt in Litschau. Franziskus und Amelie Seilern-Aspang vom Schloss Litschau und Haubenkoch Michael Kolm rückten den Karpfen ins Rampenlicht. Unter dem Motto „Achtung, Karpfen!“ traf man sich am Josefsthaler Teich, um bei einem Stationenbetrieb den traditionsreichen Speisefisch zu erleben, zu verkosten und neu zu denken.

 

Ein nachhaltiges Ökosystem, das vom Menschen lebt

Die Geschichte der Waldviertler Teichwirtschaft geht 900 Jahre zurück. Bereits im zwölften Jahrhundert bewirtschafteten die Zwettler Zisterziensermönche Teiche – nicht zuletzt deshalb, weil Fisch als erlaubte Fastenspeise als wertvolle Eiweißquelle diente. Auch heute noch spielen die etwa 2.000 Teiche eine wichtige Rolle im Waldviertel. Durch die extensive und naturnahe Bewirtschaftung der Teiche entstehen nämlich wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen, erklärte Leo Kirchmaier, der Geschäftsführer des Niederösterreichischen Teichwirteverbands, bei einer der vier Stationen sowie in unserem Podcast. Würden diese Teiche also nicht von Menschen genutzt und bewirtschaftet werden, würden sie zuwachsen und die Artenvielfalt massiv leiden. Man kann also sagen, dass das Ökosystem Teich daher das einzige Ökosystem ist, das nach dem Eingriff des Menschen wertvoller ist als davor.

Hinzu kommt, dass der Karpfen sehr robust ist und nicht viele Ressourcen braucht, um zu wachsen. Das liegt daran, dass er weit unten in der Nahrungskette steht und einen großen Teil seiner Nahrung direkt aus dem Teich holt, zum Beispiel über Plankton oder kleine Tiere am Teichboden. Zusätzlich wird Getreide zugefüttert. Drei bis vier Jahre dauert es, bis der Karpfen dann speisefertig ist. Das Warten zahlt sich also nicht nur geschmacklich aus – der Karpfen ist ein echtes Paradebeispiel für nachhaltige Nutztierhaltung.

 

Ausgezeichnet: Karpfen als landwirtschaftliches Weltkulturerbe

An der Stelle eine Information, die es eigentlich in die ZiB-Nachrichten hätte schaffen sollen: Die Waldviertler Karpfenteichwirtschaft wurde Anfang Mai von der Welternährungsorganisation (FAO) als landwirtschaftliches Weltkulturerbe mit globaler Bedeutung (GIAHS) ausgezeichnet. Sie ist neben der Heumilch das zweite landwirtschaftliche Weltkulturerbe Österreichs und das einzige ausgezeichnete Aquakultursystem Europas. Mehr dazu hat Leo Kirchmaier im Interview erzählt.

Überzeugt durch kulinarische Vielfalt

Entgegen vieler Vorurteile überzeugt der Karpfen definitiv auch kulinarisch und kann sich sogar in der Spitzengastronomie behaupten. Mit ihren durchschnittlich 5,2 Prozent Fettgehalt können sich Waldviertler Karpfen auf jeden Fall sehen lassen, denn mit drei bis acht Prozent Fettgehalt entwickelt der Karpfen den besten Geschmack.

Wer denkt, Karpfen kann bloß gebraten oder paniert werden, hat sich definitiv getäuscht. Die vier Spitzengastronomen Andreas Herbst, Lukas Nagl, Hubert Wallner und Klemens Gold präsentierten die unzähligen Möglichkeiten, die einem mit dem Karpfen in der Küche offenstehen. Lukas Nagl beispielsweise demonstrierte, wie modern der Karpfen zubereitet werden kann – eingelegt im Thunfisch-Style, getrocknet in Anlehnung an Katsuobushi oder als wesentlicher Bestandteil einer japanischen Donburi-Komposition.

Nach dieser Veranstaltung ist es auch bestimmt dem Letzten wie Schuppen von den Augen gefallen: Der Karpfen bringt großes Zukunftspotenzial mit sich und hat sich eine beachtliche Portion Aufmerksamkeit verdient. Er ist kulturell wertvoll, nachhaltig in der Produktion, essenziell für die Artenvielfalt und einzigartig im Geschmack. Und anstatt ihm skeptisch gegenüberzustehen gilt es vor allem eines zu zeigen: Hochachtung.

Du bist auf den Geschmack gekommen? Mehr zum Karpfen findest du in unseren Podcast-Episoden #232 mit Leo Kirchmaier, #208 mit Lukas Nagl und #160 mit Amelie Seilern-Aspang.

 

 

Was ist der Koch.Campus?

Koch.Campus ist ein Verein, in dem führende Köch*innen, Produzent*innen und Expert*innen aus Österreich die heimische Küche auf ein neues, zeitgemäßes Niveau heben möchten. Ziel ist es, die Qualität regionaler Lebensmittel in den Mittelpunkt zu stellen, kulinarisches Wissen zu vertiefen, innovative Impulse für eine nachhaltige Gastronomie zu setzen und die österreichische Küche international zu positionieren. Durch Workshops, Veranstaltungen und interdisziplinären Austausch bringt der Koch.Campus Menschen aus Landwirtschaft, Handwerk und Spitzenküche zusammen – mit dem Anspruch, Genuss, Herkunft und Verantwortung stärker zu verknüpfen. Koch.Campus wurde 2013 gegründet und zählt mittlerweile mehr als 70 Mitglieder aus ganz Österreich. 

Mehr über den Obmann Hans Reisetbauer erfährst du im Podcast.

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