Iss mehr (gutes) Fleisch! Flexitarier auf dem Vormarsch. Teil 2
13.06.2016 / Essen & bewusster Konsum
Im ersten Teil meiner „flexitarischen Grillen“ hatte ich zum Ende hin angekündigt, die vegane Erlösungsbotschaft, das Evangelium der Fleischlosigkeit ein wenig auf Herz und Nieren zu überprüfen. Das will ich hier jetzt tun. Gleichzeitig zeige ich Alternativen auf zur gegenwärtigen globalen industriellen Form der Fleischproduktion. Der Blick darauf bringt einige innerhalb einer „veganen Heilslogik“ ausgeblendete Fragezeichen zum Vorschein. Als Beispiel für verantwortungsvolle Fleischproduktion nehme ich nichts Utopisches oder Ultra-Alternatives, sondern eine Form, die auch in Österreich (noch) weit verbreitet ist.
Schauen wir uns also die Weidehaltung von Mastrindern...
oder auch sogenannten Zweinutzungsrassen ein bisschen genauer an. Eine Zweinutzungsrasse ist etwa das Fleckvieh, welches 75 Prozent des österreichischen Rinderbestandes ausmacht. Zweinutzung heißt einfach, es werden Milchkühe zur Milch- und Fleischproduktion (männliche Kälber – alte Tiere) gehalten.
Was passiert (idealerweise) in der Weidehaltung:
- Das Rind, das Kalb frisst (fast) ausschließlich jenes, wofür sein Verdauungsapparat geeignet ist, nämlich Weidegras, Heu oder Grassilage,
- dabei keinem Menschen (wortwörtlich) irgendetwas weg,
- erzeugt organischen Dünger für eine Kreislaufwirtschaft, trägt diesen gar selbst auf die Weide,
- wirkt mit an der Biodiversität (eine gesunde, sich selbst in natürlichen Zusammenhängen erhaltende Vielfalt an Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen),
- hilft so mit, Humus aufzubauen, den Garant für nachhaltige Fruchtbarkeit
- und bindet CO² im Boden
- sprich: macht sich nicht eines der „Verbrechen schuldig“, dessen „die Kuh“ von diversen Ideologen pauschal angeklagt wird. Im Gegenteil: gut gehaltenes Rind ist gut für die Umwelt, „CO² neutral“, und ein perfekter Energielieferant für den Menschen, der das im Gras gespeicherte Protein, die Unmengen an Energie nur über den Umweg Fleisch und Milch sich selbst zuführen kann!
Und hier kommt mein Generaleinwand gegen die vegane Utopie einer fleischlosen Welt: Der Mensch kann kein Gras fressen! Ca. 60 Prozent der weltweit nutzbaren agrarischen Fläche ist aber Grasland – ist nicht oder nur sehr bedingt geeignet für irgendeine andere Art pflanzlicher Produktion. Auch in Österreich liegt der Anteil von besonders biodiversem Grünland inklusive Almflächen an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche bei annähernd 50 Prozent - ist aber leider (!) stark rückläufig. Insbesondere die extensivste Form der Rinderhaltung, die zugleich arbeitsintensive Almbewirtschaftung geht stark zurück. Almflächen wachsen zu. Der Wald holt sich zurück, was ihm mühevoll in Jahrhunderten abgerungen worden ist.
Es ist also zuzugeben, dass das Ideal der Weidehaltung auch in Österreich im Rückgang ist. Ich halte das für eine bedenkliche Entwicklung und begrüße alle vorhandenen Bemühungen, die Weidehaltung wieder salonfähiger zu machen. Du kannst das ebenfalls unterstützen nach meiner oben skizzierten Idee.
Mein Generaleinwand gegen die vegane Utopie einer fleischlosen Welt: Der Mensch kann kein Gras fressen!
Die Idee einiger Veganer, weltweit ganz auf tierische Produktion zu verzichten,...
ist dagegen eine, die bei genauerem Hinsehen ihren Schwächen offenbart. Abgesehen von der unleugbaren Unmenge an umgewandelter essbarer Energie, die dabei ungenutzt bleiben müsste, können sich Veganer noch mit der Frage beschäftigen, wie die gewünschte Pflanzenproduktion – soll sie nicht auf Gedeih und Verderb auf Kunstdünger, sprich chemisch-synthetisch erzeugtem, angewiesen sein – ohne Kuh und co funktionieren soll, die in einer optimalen Kreislaufwirtschaft auch den Dünger für nichtindustrielle Pflanzenproduktion liefern. Vegan UND ökologisch geht nur mit Beteiligung von Vieh – sorry, da fährt ganz objektiv die Eisenbahn drüber.
Ich bin ja ganz einverstanden mit der veganen Kritik am Status quo in Sachen Fleischproduktion. Der Status quo der globalen Soja, Mais- und Weizenproduktion ist um nichts besser! Zu schweigen von den veganen Trendprodukten, mit denen sich die Lebensmittelindustrie gegenwärtig bereichert. Alles, was aus dem Kreislauf Erde, Pflanze, Tier, Erde dermaßen heraus genommen ist, wie es die industrielle, monokulturelle Pflanzen- wie Tierproduktion heute im Weltmaßstab ist, ist verheerend. Keine Frage.
Und damit komm ich zu meiner Ausgangsüberlegung zurück. Wenn ich mich, egal ob als Fleischesser oder fleischlos mich ernährender Mensch, auf diese Zusammenhänge, die heillos aufgetrennt worden sind, besinne, wenn ich bäuerliche Arbeitsweisen, die in diesen Kreisläufen – so gut als möglich – noch produzieren, erkenne, diese Arbeitsweisen unterstütze, indem ich mich ganz bewusst für deren zwar teurere, aber gesündere, besser schmeckende Produkte entscheide, dann sehe ich keinen Grund, warum Vegetarier, Veganer und Fleischesser einander etwas vor halten sollten. Auf beste regionale und saisonale Lebensmittel, wie sie in Österreich jetzt schon zu haben sind und wie ich sie durch meine Kaufentscheidung und den bewussten Genuss noch viel mehr in Produktionszwang bringe: darauf sollten sich alle Vernünftigen einigen können. Und Fleisch ist dann selbstverständlich mit von der Partie. Allen Ideologen der Fleischlosigkeit zum Trotz.
Vegan UND ökologisch geht nur mit Beteiligung von Vieh – sorry, da fährt ganz objektiv die Eisenbahn drüber.
Und dann finden wir uns auch ganz cool und entspannt...
und ja, beinah feierlich und festlich bei der Grillparty ein am nächsten Sonntag. Wo das fein marmorierte, leicht durchzogene Steak, der langsam gewachsene Schweinsbauch und die saftige Hühnerkeule einträchtig neben filetierten Zucchini- und Tomatenscheiben liegen, alles dem einen und selben ewigen Kreislauf entnommen – und bei einem Glas Bier oder bestem österreichischen Rebensaft stoßen Vegetarier, Veganer und Fleischesser auf eine bessere gemeinsame Zukunft an, die sie jetzt und hier mit bewusstem Genuss und der entsprechenden Geisteshaltung bereits einläuten.
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