"Das Klima ist ein gesellschaftliches Problem"

22.04.2024 / Essen & bewusster Konsum, Lebensraum & Nachhaltigkeit

Helga Kromp-Kolb ist Meteorologin und die wohl bekannteste Klimaforscherin Österreichs. Wie sollten wir dem Klimawandel mit der Lebensmittelproduktion, aber auch als Konsumentinnen und Konsumenten begegnen? Antworten liefert die BOKU-Professorin in unserer neuen Podcastfolge, in die wir hier einen kleinen Einblick geben. 

 

Land schafft Leben: Frau Professor Kromp-Kolb, welches Problem haben wir mit dem Klima – ganz vereinfacht gesagt?

Helga Kromp-Kolb: Wir bringen zu viele Treibhausgase in die Atmosphäre ein, die einen Teil der Wärmestrahlung der Erde absorbieren und zurückstrahlen. Dadurch wird es auf der Erde wärmer. Und es ändern sich auch der Niederschlag und alle andere Wettergrößen. Es geht also nicht um das Wetter, das bestimmt, ob beispielsweise der Wein eines Jahrgangs besonders süß oder sauer wird. Es geht um das Klima, das bestimmt, ob in einer Region überhaupt Wein wachsen kann. 

Land schafft Leben: Wie können wir in der Lebensmittelproduktion mit den Veränderungen umgehen?

Helga Kromp-Kolb: Je mehr Menschen wir werden, desto weniger Ressourcen gibt es für jeden einzelnen. Global gesehen verwenden wir zu viel Fläche, um Futtermittel für Tiere zu produzieren, die dann der Ernährung dienen. Das ist ineffizient. Auf derselben Fläche könnten wir mit pflanzlichen Lebensmitteln mehr Kalorien und Proteine produzieren. Die Frage „Welche Ressource (in diesem Fall Fläche) verwendet wer wofür – und in welchem Ausmaß?“ ist eine, die wir uns alle stellen müssen. 

 

Helga Kromp-Kolb im Gespräch mit der Redaktion von Land schafft Leben. (c) Land schafft Leben

 

 

Land schafft Leben: In Österreich haben wir besonders in den Alpenregionen viel Weidefläche, die nicht als Ackerland nutzbar wäre.

Helga Kromp-Kolb: Würden wir unser Fleisch nur von der Alm beziehen, wäre das kein Problem – dass die Almen durch Weide freigehalten werden, ist ja auch wichtig für die Biodiversität in dieser Höhenlage. Kohlenstoff wird außerdem in den Graswurzeln dauerhaft gespeichert. Mit Almen und Dauergrünland begnügen wir uns aber derzeit nicht. 

Insgesamt ist Vielfalt in der nationalen Lebensmittelproduktion wichtig. Denn gerade in einer Zeit, die möglicherweise ziemlich turbulent wird, sollten wir sehr stark auf Resilienz achten. Weder der einzelne Landwirt noch der Staat sollten im Übermaß von einem landwirtschaftlichen Produkt abhängig sein. Bei einer gemischten Landwirtschaft mit Vieh, Getreide, Gemüse und einem Stück Wald kann relativ wenig durch Klimawandel oder gesellschaftliche Disruptionen schiefgehen. Das wird derzeit viel zu wenig beachtet. 

Land schafft Leben: Was bedeutet das für die Konsumentinnen und Konsumenten?

Helga Kromp-Kolb: Unter anderem, dass wir mehr für unsere Lebensmittel bezahlen sollten, um sicherzustellen, dass diese ökologisch produziert werden. Momentan sind die Produktions- und Vertriebssysteme ganz auf Effizienz ausgerichtet. Maximale Effizienz bedeutet jedoch auch minimale Resilienz. Wir können nicht erwarten, dass Landwirte arbeitsaufwändig ökologisch arbeiten, wenn wir nicht bereit sind, ihnen den Mehraufwand abzugelten. 

Land schafft Leben: Unsere Ernährung sollte also teurer werden, dafür aber vielfältiger?

Helga Kromp-Kolb: Wir müssen uns überlegen, wie Landwirtschaft und Ernährung in Österreich im Jahr 2050 aussehen sollen, wenn wir halb so viel Energie wie heute zur Verfügung haben und das Klima sich weiterentwickelt hat. Die Sorge, dass wir die Menschen nicht ernähren können bei einem ökologischen Umgang mit den Flächen, habe ich nicht. Dazu gibt es auch Studien. Momentan verschwenden wir entlang der gesamten Kette sehr viel und nutzen durch den hohen Fleischkonsum die Fläche sehr ineffizient. Eine Ernährungsumstellung und eine Kehrtwende in der Landwirtschaft sind notwendig, aber keine Einschränkung. 

Das ganze Gespräch gibt es hier zum Nachhören. 

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