Essen und Gender

19.02.2021 / Ernährung & Gesundheit, Essen & bewusster Konsum

Wer kümmert sich heute um die Ernährung der Familie?

Was hat Gender mit Ernährung zu tun? Nicht nur wie wir uns ernähren, ist geschlechtsspezifisch unterschiedlich, sondern auch wer für die Ernährung zuständig ist.

In vielen Fällen sind es die weiblichen Familienmitglieder, und hier besonders die Mütter die sich um die Familienernährung kümmern. Sie wählen aus, was eingekauft wird, welches Essen auf den Tisch kommt und wie es zubereitet wird.

Aber wie sind Frauen in diese Rolle gekommen? Einerseits verbringen sie statistisch gesehen mehr Zeit im Haushalt als Männer. Andererseits übernehmen sie schon von Anfang an durch das Stillen die Rolle der Ernährerin. Beides lässt sich nach wie vor in vielen Familien beobachten: Oft gibt es einen männlichen Hauptverdiener, der die Hauptlast für das Einkommen der Familie trägt und eine weibliche „Zuverdienerin“, die sich um Kinder und Haushalt kümmert. Die Hälfte der geleisteten Arbeitsstunden zahlreicher Frauen besteht also aus unbezahlter Arbeit.

2019 war beispielsweise jede zweite unselbständig erwerbstätige Frau in einem Teilzeitverhältnis angestellt. Diejenigen, die Kinderbetreuungspflichten wahrnehmen, arbeiten noch wesentlich häufiger und auch länger in einem Teilzeit-Arbeitsverhältnis: Rund zwei Drittel aller Frauen im erwerbsfähigen Alter arbeiten in einer Teilzeitposition auch wenn das jüngste Kind bereits über 6 Jahre alt ist. Damit übernehmen Frauen unter anderem das Thema Familiengesundheit, gehen mit den Kindern zum Arzt, holen Medikamente aus der Apotheke, kümmern sich um Bewegung und Ernährung. Der Beginn liegt dabei oft in den ersten Tagen nach der Geburt, in denen Mütter durch das Stillen der Babys die einzige Nahrungsquelle für die Kinder darstellen. Sowohl in der Schwangerschaft als auch beim Stillen des Nachwuchses geht es darum was eine Mutter essen darf/soll/kann damit es dem Baby gut geht. Mutterschaft scheint somit untrennbar und „ganz natürlich“ mit dem Thema Ernährung verknüpft zu sein.

Das klassische Familienbild weicht neuen Lebenskonzepten

Familienkonstitutionen, Beziehungsformen und Lebenskonzepte verändern sich, und damit zusammenhängend verändern sich auch Verantwortlichkeiten. Aktuell leben rund 9 Prozent aller österreichischen Familien in einer Patchwork-Konstellation und sind somit auf mehr als einen Haushalt verteilt. Das bedeutet, dass mehrere, sich wechselnde Personen für die Ernährung der Kinder zuständig sind. Nicht nur in Patchworkfamilien, sondern auch in Regenbogenfamilien, also Familien mit zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen, Großfamilien, Mehrgenerationenfamilien sind es keinesfalls nur die Mütter, die sich um die Ernährung des Nachwuchses kümmern und kümmern können.

Je mehr Personen beteiligt sind, desto eher kommt es dazu, dass sich Ernährungskonzepte zum Teil widersprechen. Und das nicht nur aufgrund der beteiligten Personen und deren Präferenzen, sondern vor allem auch aufgrund zeitlicher und finanzieller Ressourcen. 13 Prozent der Familien werden von Alleinerziehenden geleitet, die sich also gleichzeitig und vollumfänglich um Erwerbs- und Familienarbeit kümmern. Familie bedeutet darüber hinaus Verantwortung über Generationen hinweg zu übernehmen – also nicht nur für die nachkommende Generation sondern auch für die Eltern- Generation. Wenn wir also bei der „Mütter“-Perspektive bleiben, blenden wir die Realität vieler Familien aus.

Chancengleichheit in der Ernährung – Was Schule & Co damit zu tun haben

Die Realitäten der Familien sind also unterschiedlich und immer mehr kommt nicht nur ihnen, sondern auch Institutionen eine Versorgungsrolle zu. Denken wir etwa an Schulen, Horts oder Kindergärten: Auch dort nehmen Kinder Mahlzeiten zu sich. Wird dort wertvolles, reichhaltiges und an die Bedürfnisse der Kinder angepasstes Essen angeboten, schafft das Chancengleichheit. Denn jede Familie hat andere finanzielle, biografische oder zeitliche Voraussetzungen. 

Wie hilft uns nun eine Gender-Perspektive bei der Lösung?

Beim Thema Gender geht es um gleiche Teilhabechancen. Es geht darum, stereotype Kategorien aufzulösen und bestehende Realitäten zu sehen und auch zu verändern. Zusammenfassend lässt sich also sagen: Es gibt viele Familien, in denen Frauen die Ernährungsarbeit übernehmen und Food Trends setzen – es gibt aber auch viele Familien in denen das anders ist. Wenn wir darüber reden, wie wir in Zukunft Ernährungskonzepte gestalten wollen, ist es wichtig all diese Perspektiven im Auge zu behalten und die unterschiedlichen Situationen und Personen miteinzubeziehen.