Digitalisierung in aller Munde – aber auch in aller Praxis?

10.12.2021 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion

Die Kleinstrukturiertheit des eigenen Betriebs stellt für manche österreichische Bäuerinnen und Bauern ein Hindernis dar, um sich moderne Instrumente im Alltag zu Nutze zu machen. Die zunehmende Digitalisierung ist aber eine Chance für den Erhalt österreichischer Tradition und der Vielfalt. Dies erklärt Anna Beyer von „Innovate“ im Gastbeitrag.

Digitalisierung ist in aller Munde und macht auch vor der Landwirtschaft nicht halt. Gerade im landwirtschaftlichen Arbeitsalltag liegt viel Potential für Erleichterungen. Oft stellt sich aber gerade der erste Kontakt mit der Digitalisierung als schwierig heraus, vor allem für kleinstrukturierte Betriebe mit begrenzten Investment-Möglichkeiten. Wie kleinere Betriebe trotzdem von der Digitalisierung profitieren können und wo Technologien heute den meisten Nutzen bringen, darüber machen sich mittlerweile viele Köpfe Gedanken.

Zwei davon, Valerie Herzog und Pia Seeberger, haben Anfang des Jahres das Digitalisierungszentrum „Innovate“ gegründet und dessen Leitmotiv „Digitalisierung auf den Boden gebracht“ in die Praxis umgesetzt. „Innovate“ ist ein nicht gewinnorientierter Verein, welcher sich das Thema Digitalisierung in kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben und Unternehmen zur Hauptaufgabe gemacht hat. Neben der Landwirtschaft werden auch die Bereiche der Forst-, Holz- und Energiewirtschaft digitalisiert. Dank öffentlicher Unterstützung durch Bund und Länder können wir unsere Leistungen für österreichische Betriebe kostenlos anbieten. Herausforderungen aus der Praxis werden gemeinsam mit österreichischen Betrieben angegangen und mit Hilfe des Netzwerks von „Innovate“ werden Lösungen aus unterschiedlichen Forschungseinrichtungen umgesetzt.

Wir verstehen uns dabei als Brückenbauer und möchten Lücken schließen. Daher ist es wichtig, unsere Zielgruppe dort abzuholen, wo sie steht. Somit bieten wir beispielsweise Informationen zu bestimmten Technologien, Einzelgespräche und Programme für Mitarbeiterschulungen an. Betriebe und Unternehmen mit konkreten Problemstellungen oder Ideen unterstützen wir von der Förderungsberatung über Workshops zur Konkretisierung von Ideen bis hin zu gemeinsamen Umsetzungsprojekten.

Fallbeispiel 1: Schädlinge in Erdbeerkulturen

Unser Tun lässt sich an einem aktuellen Fallbeispiel aufzeigen: die Nutzung von Bilddaten in der Früherkennung von Schädlings- und Krankheitsbefall in Erdbeerkulturen – eine Idee, mit der ein niederösterreichischer Erdbeerproduzent auf uns zugekommen ist. Mit Hilfe von Sensoren und Kamerasystemen sollen Krankheiten, Schädlinge und Nährstoffmangel bei Erdbeerpflanzen frühzeitig erkannt werden. Gerade auf Erdbeerfeldern ist der Anteil an wiederkehrenden manuellen Tätigkeiten hoch. So erfolgen beispielsweise die Unkrautbekämpfung und die Ernte zum Teil händisch. Entsprechend groß ist auch die Nachfrage nach helfenden Händen. Jedoch wird es zunehmend schwieriger, geeignetes Personal zu finden. Technologische Lösungen können hier Abhilfe schaffen. Außerdem können wir durch die Digitalisierung den Einsatz von Pflanzenschutzmittel reduzieren und den Erdbeer-Ertrag steigern.

Gemeinsam mit dem Josephinum Research und weiteren Erdbeerbetrieben haben wir in einem ersten Schritt Eckdaten abgesteckt. Aktuell entwickeln wir gemeinsam Möglichkeiten zur Umsetzung und testen diese direkt. Was beim ersten Abstimmungstermin passiert ist, kann man in der „Innovate“-Mediathek nachlesen. Ein Einstieg in das Projekt ist nach wie vor möglich und aus Gründen der Diversität der Herangehensweise ausdrücklich gewünscht.

Fallbeispiel 2: Koordination der Prozessketten

"Die Lieferung sollte in vier Stunden da sein, wann kann ich mit der Ausbringung rechnen?" "Wo bist du jetzt?" "Wie lang braucht ihr dort noch?" – Das sind klassische Fragen, wenn es um die Koordination unterschiedlicher Dienstleistungsunternehmen geht. Ein Beispiel: Eine Landwirtin will auf ihrem Feld Dünger ausbringen. Dafür liefert ihr Dienstleister*in A den Dünger, während dessen Ausbringung mit einer Spezialmaschine durch Dienstleister*in B erfolgt. Durch die steigende Spezialisierung von Leistungen und die damit große Anzahl an involvierten Personen muss in diesem konkreten Fall viel Zeit in die Abstimmung investiert werden. Das ist jedoch keine Ausnahme, deshalb könnten digitale Möglichkeiten laufende telefonische Abstimmungen reduzieren. Ein Weg kann sein, Arbeitseinsätze, Ressourcen und Betriebsmittel in Echtzeit beispielsweise direkt am eigenen Handy zu verfolgen. Die Zusammenarbeit würde sich dadurch einfacher, übersichtlicher und planbarer gestalten.

Im November starteten wir daher ein Umsetzungsprojekt zur Verbesserung der Logistik in landwirtschaftlichen Prozessketten. Erstes Ziel dieses Projekts war es, gemeinsam mit Landwirt*innen, Lohnunternehmer*innen und Zulieferbetrieben an der technischen Realisierung von Echtzeit-Anwendungen am Smartphone zu arbeiten. Nähere Informationen zum Projekt ist hier nachzulesen. Ein Einstieg ist auch hier nach wie vor möglich.

„Beim Reden kommen d‘Leut zam“ - Ein Ideenmarathon für die Agrartechnologie

Themen wie Direktvermarktung oder leistbare Technologien beschäftigen viele Menschen, aber sind oft noch im Entwicklungsstadium. Auch das ohnehin schon schwierige Thema der Erntehilfe hat durch die Einreisebeschränkungen im letzten Jahr die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Im Rahmen eines Ideenmarathons für Agrartechnologie wollen wir daher kreative Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenholen. Gemeinsam wollen wir innovative Lösungen für landwirtschaftliche Alltagsprobleme finden.

Bei diesem "FarmHack" sind all jene gefragt, die gerne mit anderen an spannenden Herausforderungen arbeiten und sich in interdisziplinären Teams wohlfühlen.

(Der Farmhack wird unterstützt durch die SmartAgrihubs Initiative und erhält Förderungen aus dem Horizon 2020 Förderungsprogramm für Forschung und Innovation der europäischen Union im Rahmen des Fördervertrags Nr.818182.)